Longines Ultra-Chron: die „genaueste Taucheruhr der Welt“

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In den 60er-Jahren begannen zunehmend mehr Schweizer Hersteller (wie auch Seiko in Japan), auf die Entwicklung von High-Beat-Werken für Armbanduhren zu setzen. Die Idee dahinter: eine mechanische Armbanduhr mit 36’000 Halbschwingungen pro Stunde (5 Hz) würde Kunden, gerade angesichts der in dieser Zeit langsam aufkommenden Quarz-Uhr, eine höhere Präzision und Gangstabilität bieten, als Uhrwerke mit 18’000 (der damalige Standard), 21’600 oder 28’800 A/h. Dass damit unter anderem die Komplexität und der Verschleiss des Werks grösser, Service-Intervalle kürzer und die Gangreserve negativ beeinflusst wurden, dürfte mit ein Grund sein, warum sich gemeinhin nur Zenith dank dem Überleben des schnell-schwingenden El Primero ins kollektive Bewusstsein heutiger Uhrenkäufer eingeprägt hat (zudem macht die Erhöhung auf 36’000 Halbschwingungen vor allem bei einem Chronographen Sinn, der so noch genauer Zeiten messen kann). Vor rund 60 Jahren sah das Teilnehmerfeld aber noch ganz anders aus:

Die Uhrenindustrie erhöht das Tempo für mehr Präzision

Zahlreiche anderen Marken, allen voran Girard-Perregaux, waren damals ebenfalls auf den Schnellzug aufgesprungen. – Longines, die älteste eingetragene Uhrenmarke der Welt, präsentierte 1967 zum 100jährigen Jubiläum der Uhrenfabrikation in Saint-Imier erstmals eine ultra-präzise Armbanduhr mit dem Zusatz „Ultra-Chron“ (Ref. 7950) auf Basis der Kaliber-Serie 430 mit automatischem Aufzug und beeindruckenden 42 Stunden Gangreserve. Die Macher waren von der Zuverlässigkeit des Werks dermassen überzeugt, dass in Anzeigen potentiellen Käufern nichts Geringeres als eine Abweichung von maximal „a minute a month“ garantiert wurde (zum Vergleich: heute bei der COSC gelten −4/+6 pro Tag, die selbe Abweichung wäre also bereits in zehn Tagen erreicht). Mit ein Grund dafür: Longines hatte das Kaliber von Beginn weg auf eine Massenproduktion ausgerichtet und dadurch einige Hürden genommen, damit nebst Präzision auch hohe Praktikabilität geboten werden konnte. – Das Schnellschwingerwerk aus Saint-Imier wurde tatsächlich in grösserer Zahl produziert, man geht bei Longines von über einer halben Million Werke zwischen 1967 und 1975 aus (mit der Bezeichnung L.430 ohne Datum resp. L.431 mit Datum).

Longines Ultra-Chron Skindiver #8050 guaranteed accurate to a minute a month. Stainless steel case, link bracelet, $175

Text aus einer Longines Werbe-Anzeige zur Bewerbung der Ref. 7970

Die Ultra-Chron taucht ab

Grundsätzlich ist das Thema Präzision bei einer Taucheruhr etwas weniger wichtig, zumal die Anzeige unter Wasser in der Regel auf maximal 60 Minuten beschränkt ist. Die Existenz von Taucheruhren mit High-Beat-Werken ist also eher dem Vertrauen des Herstellers ins eigene Werk geschuldet, als dem ultimativen Mehrwert unter Wasser, womit die Zahl solcher Modelle bis heute eher beschränkt ist (und für Sammler besonders interessant sind). Bereits 1968 präsentierte Longines mit der Ref. 7970 (resp. 7970-1, 7970-2 etc.) an der Messe Basel eine Ultra-Chron Taucheruhr, die mit dem L.431 ausgerüstet worden war. Die Uhr hatte ein 41 mm grosses und bis 200 Meter wasserdichtes Gehäuse mit externer Lünette. Ein paar Bilder (Grossansicht nach Klick):

Die 43 mm grosse und bis 300 Meter wasserdichte Ref. 8221 von Longines ging ebenfalls im Jahr 1968 an den Start:

Die Longines Ref. 8221 wurde 2014 in der Heritage-Kollektion neu aufgelegt (Ref. L2.795.4.52.0), aber selbstverständlich mit dem L633.5 (Basis ETA 2824-2) mit regulären 28’800 A/h bestückt.

Nebst „Super Compressor“ Gehäuse mit innenliegender Lünette und Cal. L.431 verfügte die Uhr zudem über eine besonders widerstandsfähige Glasarretierung für den Einsatz auf Sättigungstauchgängen, womit einmal mehr bewiesen ist, dass das Thema Helium auch in Saint-Imier ganz früh erkannt worden war:

Im selben Jahr hatte auch Seiko mit der 6159-7001 eine Taucheruhr mit 36’000 Halbschwingungen auf den Markt gebracht. Zodiac folgte etwas später in den 1970er-Jahren mit der eigentümlichen Ref. 1919 „Sea Wolf SST“ (Split Second Timing) mit Sarg-förmigem Gehäuse und innenliegender Lünette, auch hier warb der Hersteller für die SST vollmundig mit einer garantierten Präzision von maximal einer Minute pro Monat für den Zeitraum eines Jahres (bspw. mit Anzeigentexten wie „Zodiac SST – The most accurate watch you can wear. Guaranteed. […] not to gain or lose more than one minute per month.“):

Von Longines ist bekannt, dass mit dem externen Gehäuse-Produzenten bereits im Frühjahr 1967 an den Serienuhren der Ref. 7970 gearbeitet wurde, womit Longines nicht nur zu den ersten Herstellern gehört, die das Thema Hochfrequenz ans Handgelenk gebracht haben, sondern auch einer der ersten war, der Tauchern den Blick auf den noch sanfter gleitenden Sekundenzeiger ermöglicht hat. Als vermutlich letzte Hochfrequenz-Referenz von Longines dürfte die Ref. 8593 aus den 70er-Jahren gelten:

Longines Ultra-Chron Ref. 8593 mit L.431 und 43 mm grossem Gehäuse

53 Jahre später: Taucheruhren mit 5 Hertz bleiben rar

Interessanterweise wird das Thema High-Frequency aktuell nur von drei Herstellern abgedeckt: von Grand Seiko mit der SBGH255 und SBGH257 (2017), von Seiko Prospex mit der SBEX001 (2015), SBEX003 (2015), SBEX005 (2017), SLA025J1 (2018), SLA039J1 (2020), SLA037J1 (2020) und von Blancpain mit der Bathyscaphe Chronographe Flyback (2014) mit dem F385 Inhouse-Werk.

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