Meisterhaftes aus Biel: die neue Seamaster 300
Zur Baselworld 2014 lancierte Omega eine weitere Taucheruhren-Familie innerhalb der Seamaster-Kollektion: Die sechs als Seamaster 300 Master Co-Axial bezeichneten Modelle orientieren sich optisch stärker am Ur-Tauchermodell von 1957, sind technisch aber mehr als auf dem neuesten Stand. – So verfügt die Reihe mit dem Kaliber 8400 nicht nur über ein Inhouse-Werk mit Chronometer-Zertifikat, sondern bietet trotz Sichtglasboden noch massig Schutz vor Einflüssen von Magnetfeldern. Wie anziehend diese Fusion aus Vergangenheit und Gegenwart sein kann, zeigt die Begegnung mit einem der ersten Serienmodelle in Stahl (Ref. 233.30.41.21.01.001):
Das volle Programm
Auch wenn die Seamaster 300 Master Co-Axial – getreu der Vorlage – ohne Datumsanzeige kommt, hat Omega definitiv nicht bei ihrer Ausstattung gespart: Während die Co-Axial-Hemmung ja schon längere Zeit zum Antriebs-technischen Repertoire des Unternehmens gehört, ist die verbaute Lünette mit Liquidmetal Keramik-Einlage noch relativ frisch und erst ab 2009 sukzessive eingeführt worden. Noch aktueller ist der gebotene, massiv erhöhte Schutz vor Magnetfeldern (bis 15’000 Gauss), wie er erstmals 2013 in der Aqua Terra-Linie verwirklicht wurde und als Besonderheit ohne den dafür üblichen Weicheisen-Innenkäfig auskommt. – Omega verwendet bei den relevanten Bauteilen des Werks Materialien und Legierungen, die nicht im üblichen Masse auf Magnetfelder reagieren, und als Resultat davon erhält der Käufer bei 300 Meter Wasserdichtheit einen dreifach beeindruckenden Sichtglasboden mit freiem Blick aufs Werk:

Mit zwei Federhäusern bietet das attraktiv finissierte Kaliber 8400 (praktisch ein datumloses Derivat des 8500) rund 60 Stunden Gangreserve; wer seine Uhr dennoch einmal länger als ein Wochenende nicht trägt oder oft auf Reisen durch unterschiedliche Zeitzonen ist, wird schätzen, dass sich als Besonderheit in der mittleren Position der ausgezogenen Krone der Stundenzeiger separat verstellen lässt.
Das ebenfalls mitgelieferte Chronometer-Zertifikat kann als weiteres Indiz für ein (bereits mehrfach nachgewiesenes) hervorragendes Laufverhalten des Werks gelten, dürfte aber in dieser Form bald der Vergangenheit angehören: mit der Ende 2014 angekündigten METAS-Testmethode möchte Omega unter anderem das Thema Magnetismus noch stärker gewichten und wird damit das bisherige, weniger strenge Kontrollverfahren bei der COSC einstellen.
Dafür gibt’s bei den Gehäusematerialien von Stahl, Titan, Omegas Sedna-Rotgold-Legierung oder sogar Platin schon jetzt fast alles, was Omega derzeit verarbeitet – einzig das Thema Keramik hat man im Lancierungsjahr der Konzernschwester Blancpain für die Taucheruhren-Kategorie überlassen, respektive erneut nur mit der Speedmaster (später mit der Planet Ocean) umgesetzt.

Kurz gesagt: 2014 hat Omega mit der Seamaster 300 auf beeindruckende Art gezeigt, was man in Biel unter Innovation versteht, und welche Position man mit Blick auf die Konkurrenz anstrebt. Und auch wenn logischerweise weder Co-Axial noch der gesteigerte Magnetfeldschutz bedeuten, dass alle bisherigen, abweichenden Konstruktionen der letzten Jahrzehnte grundlegend falsch gewesen wären, es dürfte schwierig werden, derzeit einen vergleichbaren Anbieter zu finden, der in diesen Produktionsmengen (und zu diesem Preis) ein bereits bewährtes Konzept auf einem solch hohen Niveau konstant weiter entwickelt, auch wenn dabei die Relevanz für den Taucheinsatz nicht unmittelbar erkennbar ist.
Insofern kann die Seamaster 300 Master Co-Axial trotz, oder gerade wegen ihres klassischen Designs uhrmacherisch als wegweisend gelten – sie schafft es, über 50 Jahre Omega-Geschichte zusammenzufassen und bietet einen Vorgeschmack auf das, was man in den kommenden Jahren noch von der Bieler Marke erwarten darf.
Positionierungsaufgabe
Etwas unübersichtlicher wurde es dafür in der restlichen Seamaster-Kollektion, was nicht nur das doppelt gemoppelte Naming der Seamaster Master Co-Axial erklären könnte, sondern als nicht-Professional auch deren spürbare Distanzierung vom aktiven Taucheinsatz: Das fehlende Leuchtdreieck wie auch die enorm zurückhaltende Lünettenbeschriftung, oder die reguläre Faltschliesse ohne grössere Verlängerungsmöglichkeit respektive Sicherung könnten Zeichen dafür sein, dass man bewusst nach Abgrenzung zur seit 1993 geführten Seamaster Taucher- oder zur 2005 eingeführten Planet Ocean-Kollektion gesucht hat.

So wie es unter diesem Aspekt auch mehr Sinn machte, nach 57 Jahren das Ur-Modell von 1957 als Vorlage zu bemühen, während dessen populärere Nachfolgerin aus den 60er-Jahren zu nahe an der Planet Ocean gewesen wäre.
Nichtsdestotrotz: Mit ihren eher moderaten 41 mm Durchmesser, dem Sichtglasboden, der feinen, eleganten Lünette (die übrigens unerwartet griffig ist) sowie den polierten Mittelgliedern des Bandes ist die Seamaster 300 Master Co-Axial somit weniger für den harten Einsatz unter Wasser gedacht, auch wenn sie einen Tauchgang problemlos bewältigen könnte. – Omega mag mit diesem Modell der Konkurrenz davon schwimmen, aber das (theoretische) Gerätetauchen überlässt man wohl lieber den grossen Schwestern.
Liebe auf den ersten und dritten Blick
Schon bei der schrittweisen Enthüllung der Uhr kurz vor der Baselworld wurde spürbar, dass das Modell mehrheitlich positiv aufgenommen werden würde. Bis auf die auf „Vintage“ getrimmte Leuchtmasse resp. den zweifarbigen Zifferblattaufdruck und andersfarbigen Zeigern schien man sich einig, dass hier ein durchwegs gelungenes Modell geschaffen worden war. Erste Live-Bilder von der Messe riefen dann vereinzelt etwas Enttäuschung hervor, nachdem der zurückhaltende Auftritt am Handgelenk und die etwas stark polierten Bandglieder (resp. stark sichtbaren Fingerabdrücke) doch etwas vom ersten Eindruck des Pressematerials abwichen.
Mit Auslieferung im Herbst 2014 folgte dann die nächste Überraschung: die langen, eher gerade abstehenden Hörner und der trotz 41 mm optisch dezent wirkende Durchmesser sorgten vereinzelt für einen ungewohnten Sitz auf dem Handgelenk, was den einen oder anderen Wartenden dazu brachte, das Uhrengeschäft doch wieder mit leeren Händen zu verlassen.
Vermutlich ist es so, dass sich mancher Interessent nach den Grössen-Exzessen der letzten Jahre erst wieder an eine kleiner wirkende Uhr gewöhnen muss. Zusätzlich erschwert wird dies wie schon erwähnt von den Hörnern, respektive den gleichsam etwas langgezogenen Bandanstössen, die bei schmaleren Handgelenken stärker abfallen können und in Kombination mit dem erhöhten Glasboden die Uhr etwas vom Handgelenk abstehen lassen (was grundsätzlich keinen Einfluss auf den Tragekomfort hat). Unschön ist in diesen Fällen der entstehende Spalt zwischen dem ersten und zweiten Bandglied.
Als Tipp für diejenigen, die sich grundsätzlich für die Uhr interessieren: Im Zweifelsfall vielleicht etwas länger am Arm lassen, oder noch besser: mehr als einmal anprobieren gehen.

Als unglücklich, oder zumindest wenig empfehlenswert ohne vorherige Anprobe, könnte sich der Wechsel auf das ebenfalls 2014 eingeführte schwarze Nylonband im Nato-Stil (hier Ref. 031ZSZ002065 mit 21 mm) erweisen: es passt optisch zwar hervorragend an die Uhr, steht aufgrund der Materialstärke und Beschichtung aber am Handgelenk fast schon grotesk weit ab und lässt die Uhr dadurch nochmals kleiner wirken – ein weicheres/dünneres Band sollte hier besser geeignet sein. Leider ist die Wahl von alternativen Bändern bei 21 mm Bandanstossbreite eher eingeschränkt, was wieder für das hervorragend verarbeitete, aber für Kratzer anfällige Stahlband spricht. Dessen recht kurze Stifte werden übrigens mit je zwei kleinen, seitlichen Schrauben fixiert (ähnlich einer Schraubkappe), was beim Kürzen tendenziell etwas mehr Vorsicht verlangt und noch für etwas Ungewissheit bei der langfristigen Fixierung sorgt.
Die massive Schliesse bietet eine praktische Feinverstellung, aber wie schon erwähnt keine integrierte Tauchverlängerung oder zusätzliche Sicherung.
Wunschliste
Manch einer wird sich am stark kontrastierenden weissen Sekundenzeiger stören, der aber wie das fehlende Datum der historischen Vorlage geschuldet ist. Andere werden sich mehr Durchmesser wünschen, dafür passt das Werk in diesem Fall ausgezeichnet ins Gehäuse und die Uhr zu fast jeder Garderobe. Wieder andere werden sich berechtigterweise an der künstlich gealterten Leuchtmasse stören, an der reduzierten Tauch-Tauglichkeit, an den zahlreichen polierten Flächen oder am fehlenden Dreieck bei der Lünette – und trotzdem, die Seamaster 300 wirkt (auch) in der Hand in sich so stimmig, wie sie auf den ersten Pressebildern erwarten liess, aber vermutlich ist sie nicht unbedingt die ideale Kandidatin für einen Spontankauf. Durchwegs weniger Anlass für Kritik bietet dafür der Preis: Mit CHF 5’950.00 dürfte die nächste vergleichbare Kandidatin wohl erst die spürbar teurere Rolex Submariner ohne Datum sein (Ref. 114060) – und spätestens hier zeigt sich dann auch, welche Position Omega anstrebt, respektive was die beiden Marken derzeit unterscheidet.
Anziehungskraft
Starke Magnetfelder stellen in der Tat eine potentielle Gefahr für ein mechanisches Uhrwerk dar, auch wenn dieses Risiko im Zuge der aktuellen Lancierungs-Kampagne vielleicht etwas arg überzeichnet wird. Aber dass Omega hier einen grundsätzlich sinnvollen Schutz so in dieser Form ohne Abstriche anbieten kann, kann nur positiv gewertet werden. Nimmt man die weiteren, bereits erwähnten Innovationen dazu, präsentiert sich mit der Seamaster 300 Master Co-Axial eine vernünftige Ansammlung von Features, die allesamt die gesteigerte Zuverlässigkeit eines Uhrwerks zum Ziel haben – und die darüber hinaus noch eine gute Figur machen. Und auch wenn die Neuheit eher den fortgeschrittenen Uhrenfan auf der Suche einer sportlichen Uhr ansprechen dürfte als den typischen Erstkäufer einer mechanischen Taucheruhr, es lassen sich wenig Gründe finden, dieses Modell nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
Fazit
Es gibt in der Tat Einiges, das man an der Seamaster 300 Master Co-Axial nicht mögen könnte. Objektiv betrachtet hat sie jedoch die hohen Erwartungen mehr als erfüllt und darf somit verdient als eine der überzeugendsten Neuheiten des Uhrenjahrgangs 2014 gelten. Und die präzisierende Gattungsbezeichnung „Taucher-„ wurde hierbei bewusst ausgelassen. Spannend dürfte sein, ob und wenn ja in welche Richtung diese kleine Uhrenfamilie noch erweitert wird, aber wer schon jetzt ein beeindruckendes Kapitel von Omegas Erfolgsgeschichte am Handgelenk tragen möchte: das hier vorgestellte Meisterstück wäre der ideale Kandidat dafür.
Impressionen (Grossansicht nach Klick):
Technische Daten
Hersteller: | Omega |
Modell: | Seamaster 300 Master Co-Axial |
Referenz: | 233.30.41.21.01.001 |
Gehäuse: | Edelstahlgehäuse mit verschraubter Krone, 41 mm Durchmesser, ca. 14 mm Höhe, einseitig drehbare Lünette (120 Klicks) mit Liquidmetal-Einlage (Keramik), einseitig entspiegeltes, gewölbtes Saphirglas, Schraubboden mit Sichtglas, 300 Meter Wasserdichtheit |
Gewicht: | ca. 160 Gramm |
Band: | 21 mm breites Edelstahlband mit verschraubten Gliedern, Faltschliesse mit Feineinstellung aber ohne Verlängerung, kein Sicherheitsbügel |
Zifferblatt: | matt-schwarzes Zifferblatt mit versenkten Keil-Indexen; zweifarbige Leuchtmasse (Minutenzeiger und Leuchtperle etwas grünlicher nachleuchtend im Dunkeln) |
Werk: | Omega Kaliber 8400 mit Co-Axial-Hemmung und freischwingender Silizium-Spirale, Chronometer-Zertifikat, beidseitig automatisch aufziehend; 25’200 A/h, Stunden-, Minuten- und Sekundenanzeige, zwei Federhäuser sorgen für eine Gangautonomie von ca. 60 Stunden; Sekundenstopp, Handaufzug und Schnellverstellung Stundenzeiger, 39 Lagersteine; Durchmesser: 30 mm, Höhe: 5,5 mm – Das Werk widersteht Magnetfeldern bis zu 15’000 Gauss |
Markteinführung: | 2014 |
Varianten: | Titan mit blauem Zifferblatt und blauer Lünette (Ref. 233.90.41.21.03.001), Bi-Color Stahl/Gold mit schwarzem Zifferblatt und schwarzer Lünette (Ref. 233.20.41.21.01.001), Bi-Color Titan/Gold mit blauem Zifferblatt und blauer Lünette (Ref. 233.60.41.21.03.001), Massiv-Gold mit schwarzem Zifferblatt und schwarzer Lünette (Ref. 233.60.41.21.01.001), Platin mit blauem Emaille-Zifferblatt und blauer Lünette (Ref. 233.90.41.21.03.002, limitiert auf 357 Stück) |
Preis (2014): | CHF 5’950.00 / EUR 4’850.00 für die Version aus Edelstahl; CHF 8’100.00 für Titan, CHF 11’400.00 für Bi-Color und CHF 30’800.00 für Gold. |
Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2015 veröffentlicht.
Update (2021): Nachdem Omega zwischen 2014 und 2019 noch die eine oder andere Variante des Modells lanciert hatte (bspw. die auf 7’007 Stück limitierte Spectre-Edition mit Lollipop-Sekundenzeiger), zeichnet sich für 2021 ein überarbeitetes Design mit insgesamt schlankerem Profil, Sandwich-Zifferblatt und anderem Werk (Kal. 8912) ab.
Suche alte Omega Uhr ohne Datum, Automatik, im inneren der Zeiger 3runde anzeigen. Rückseite deckel mit Nasa und Flug zum Mond.