Helmtauchen

Die Zeit immer vor Augen: Vom Tauchen mit Uhren, die dabei nicht nass wurden

Es gab eine Zeit, in der die Zeitmessung unter Wasser eine äusserst zentrale Rolle spielte. Eine Zeit, in der das Konzept einer robusten, wasserdichten Uhr zum Tauchen genau so revolutionär erscheinen musste, wie eine Uhr, die nur am Handgelenk getragen wird. Eine Zeit, in der nur schon die Idee des Sporttauchens Jahrzehnte weit weg war, geschweige denn das passende Equipment dafür auch nur ansatzweise ersonnen worden war.

Diese Zeit begann damit, dass Männer mit Kugelhelmen und Bleischuhen in die Tiefe geschickt wurden, um dort ihren ebenso beschwerlichen wie auch nicht ganz ungefährlichen Beruf auszuüben – oder genauer gesagt begann sie im Jahr 1838, als August Siebe eine Weiterentwicklung seines Taucherhelms präsentierte, der erstmals mit dem Anzug verbunden (also unten am Hals abgeschlossen) war und über die Wasseroberfläche mit Luft versorgt wurde.

Damit war der Grundstein für den „Standard Diving Dress“ gelegt, der sich vom Konzept her bis in die Gegenwart eigentlich nicht wesentlich verändert hat. Der Vorteil daran: Der Taucher konnte im Prinzip so lange unter Wasser bleiben, wie ihn die Pumpe an der Oberfläche mit frischer Luft versorgte (Unterkühlung, Durst, Erschöpfung und dergleichen lassen wir dabei jetzt mal der Einfachheit aus).

Der grosse Schritt in die sprichwörtliche Unabhängigkeit folgte im Jahr 1912, respektive im Jahr 1913 mit der Markteinführung des vom Lübecker Unternehmens Dräger entwickelten DM 20 und DM 40 (Abk. je nach Quelle für „Deutsches Modell“ oder „Dräger Modell“) einen „frei tragbaren, schlauchlosen Dräger-Tauchapparat“ vorstellte: Als konzeptioneller Urahn der heutigen Rebreather ermöglichte dieser Apparat dem Taucher, mit Pressluft- und Sauerstoffflasche sowie einem Behälter mit Atemkalk 2 bis 4 Stunden autonom unter Wasser zu arbeiten.

Draeger_Helmet_Museum_Nurkovina_Warsaw_2012

In dem Moment, da Anzug, Gewicht und Helm angelegt und dann das vordere Sichtfenster an den Helm angeschraubt wurde, war der Taucher mehr oder weniger auf sich und seine bis zu 100kg schwere Ausrüstung gestellt. Zurück schwimmen, kurz mal auftauchen oder den Messing- respektive Kupferhelm selber abnehmen und frische Luft einatmen, waren dabei logischerweise völlig unmögliche Aktivitäten, für jemanden der mit Bleischuhen am Grund des Meeres stand. Dafür waren die zeitliche Planung von Abstieg, der eigentlichen Arbeitszeit, der Rückkehr zum Schiff und die erforderliche Zeit zum Aufschrauben und Entfernen des Helms entsprechend wichtig.

Und auch wenn bereits in den 30erjahren des 20. Jahrhunderts die ersten wasserdichten Armbanduhren den einen oder anderen Tauchgang mitmachten, darunter eine Omega Marine, die 1936 durch den amerikanischen Zoologen und Tiefseeforscher William Beebe im Pazifik mit einem Helmtauchgerät in einer Tiefe von 14 Metern eingesetzt wurde, so war dies weder ideal noch meist ursprünglich so geplant: Abgesehen von den italienischen Panerai-Uhren und den folgenden Canteen-Watches wurden dedizierte, robuste Taucheruhren mit Drehring ja erst in den 50erjahren im grossen Rahmen eingeführt. Und selbst dann wäre eine massiv exponierte Uhr über dem groben Tauchanzug auch nicht wirklich die ideale Lösung für den Helmtaucher gewesen, der diese zu allem Übel auch noch regelmässig vor ein nicht wirklich grosses Gesichtsfenster hätte hoch halten müssen, um die Zeit zu kontrollieren.

Taschenuhr mit separater Fassung zur Befestigung auf der Innenseite des Taucherhelms.

Wer also unabhängig von seiner Crew die Zeit messen wollte, nahm seine Uhr, traditionsgemäss eine Taschenuhr, vorzugsweise an den Ort mit, der von allen am sichersten und naheliegendsten war: Die Innenseite des Helmes.

Genau dazu bot Dräger ein separates, aufklappbares Gehäuse an, das eine Taschenuhr aufnehmen konnte. Alte Illustrationen des Unternehmens zeigen die Montage rechts oberhalb des grossen Sichtfensters, während die linke Seite des umgangssprachlich genannten „Bubikopfs“ (aufgrund der abgestuften Form der Helmrückseite) für Tiefenmesser und Kommunikation reserviert war.

Das wiederum lässt die Vermutung zu, dass die mit „Argus“ angeschriebene Halterung (oder ähnlich konstruierte Klappgehäuse anderer Hersteller) auch andernorts im Einsatz war und dass diese wiederum vermutlich auf durch Taucher selbst eingebaute Taschenuhren zurückging.

Oder mit anderen Worten: Während wir heute das Jahr 1953 als Geburtsjahr der Taucheruhr mit Drehring betrachten, und die im Jahr 1932 lancierte Omega Marine als zweckentfremdete inoffiziell erste Taucheruhr gelten darf, so sind vermutlich beide von einer gänzlich undichten Vorgängerin überholt worden, von der heute niemand mehr spricht, wenn er über die Geschichte der Taucheruhr spricht: Der guten alten Taschenuhr.

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2013 veröffentlicht.

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