Sammlertypen

Uhrenkäufer mit Hang zur Sammeln lassen sich pauschal in drei Gruppen aufteilen (und ja: es ist gut möglich, sich in mehreren Gruppen wieder zu erkennen):

Gruppe 1: Hysteriker

Der Hysteriker steigert sich von Uhrenkauf zu Uhrenkauf in immer höhere finanzielle Gefilde: Wurden zu Beginn noch ein paar Hunderter auf den Tisch gelegt, befindet er sich gedanklich bald in Preisregionen mit fünf oder sechs Stellen – und empfindet dies noch nicht einmal als erschreckend. Gleichzeitig verliert er zunehmend das Interesse an (seinen) weniger teuren und ergo vermeintlich weniger wertvollen Uhren.

Ihm ist ein hohes Frustpotential beschieden, da er irgendwann unweigerlich an seine Grenze stossen wird (sofern er sich nicht in die Illegalität begibt), und sein Dasein – gefangen zwischen zwei Käufen – in einem nicht mehr zu behebenden Vakuum fristet. Einziger Ausweg: Verkauf der gesamten Sammlung und Anschaffung des ersten automobilen Oldtimers.

Gruppe 2: Naivlinge

Der naive Sammler hat sich seine kindliche Unschuld bewahrt. Will heissen: Er freut sich auch bei der 74. Uhr seiner Sammlung, als wäre es die erste gewesen. – Solange sie in irgendeiner Form „selten“ (dazu gehört auch „selten hässlich“, „selten verkauft“ usw.) ist. Der Einzelpreis seiner Anschaffungen bleibt meist konstant (tief oder hoch), da er sich eine Budget-Limite auferlegt hat und sich auch eisern daran hält.

Es ist meistens der Sammler, nach dessen Ableben die überforderten Erben gerne mit dem Schaufelbagger vorfahren, da unser Eigenbrötler niemandem erzählt hat, worin der Wert seiner unüberblickbaren Sammlung besteht, die in Schubladen und Schächtelchen übers ganze Haus verteilt zu finden ist. Zu Lebzeiten hingegen ist ihm viel Freude an seinen Schätzen beschieden.

Gruppe 3: Themenpark-Besucher

Themenpark-Besucher bauen Ihre Sammlung nach strikten Vorgaben auf: Beispielsweise Militäruhren der kaiserlichen Marine mit weissem Zifferblatt, die persönliche Widmungen auf der Gehäuse-Rückseite aufweisen. Sie sind absolute Spezialisten in ihrem Gebiet und meist weltweit unerreicht, wenn es um Expertisen geht. Dummerweise interessiert sich fast niemand für das Motiv und das dermassen enge Sammlungsthema, weshalb der Themenpark-Besucher eine starke Neigung zu gereiztem Verhalten aufweist: Er lauert gerne vor Schaufenstern und an Uhrenbörsen, um beim „zufälligen“ Aufschnappen einer Bemerkung im Sinne von „sieht aus wie eine Rolex“ der verdutzten Person einen stundenlangen Monolog über Geschichte und Besonderheit dieses Modells um die Ohren zu hauen.

Gruppe 4: Glücksritter

Gruppe 4? – Stimmt, eingangs war nur von drei Gruppen die Rede. Grund für dieses Schattendasein ist die nach wie vor unbelegte Existenz der Anhänger dieser viel zitierten Gattung. Es sind diejenigen Sammler, die mal flugs einen Flohmarkt in Ungarn besuchen und mit einer ungetragenen Fliegeruhr aus dem zweiten Weltkrieg inkl. Box und Papieren zurückkehren, die sie dem unwissenden Händler für eine warme Mahlzeit abgeschwatzt haben. Diese Gruppe ist mit grosser Wahrscheinlichkeit ein durch die Uhrenindustrie liebevoll gepflegter Mythos, um die ersten drei realen Gruppen zu immer neuen Käufen zu animieren. Sorgfältig platzierte „Erfahrungsberichte“ verwurzeln innerhalb der drei anderen Gruppen unweigerlich die Erkenntnis, dass man selbst schon bald auch einmal das Geschäft seines Lebens machen wird, wenn nur genügend Uhren gekauft werden.

Gruppentherapie

Wenn wir das Thema etwas ernster betrachten, lassen sich dennoch ein paar Weisheiten erkennen:

  1. Eine Sammlung ist nur dann attraktiv, wenn sie den eigenen Vorstellung einer Sammlung entspricht.
  2. Uhren sind als Spekulationsobjekt für Laien und Amateure ungeeignet, weshalb der Wiederverkaufswert eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Ebenso sollte dem Kaufpreis wenig Bedeutung beigemessen werden. Will heissen: Kaufen Sie von Zeit zu Zeit auch wieder einmal eine Uhr aus einem Land, das nicht Schweiz heisst. Sie werden sehen, die Freude über ein sog. „billiges“ Produkt kann bei entsprechender Kenntnis unbekannter heimischer oder ausländischer Marken genau so gross sein, wie bei den etablierten Marken. Und das Preis-/Leistungsverhältnis zum Teil erschreckend attraktiv. Mit dieser Erfahrung können Sie dann…
  3. …bedeutend entspannter ein Uhrengeschäft betreten – mit bedeutend mehr Chancen, nur noch wirklich richtig gute Uhren zu kaufen.
  4. Eine Uhr ist in dem Moment „alt“, in welchem Sie das Geschäft verlassen. Aus diesem Grund können Sie genauso gut eine getragene Uhr mit massivem Preisabschlag kaufen, und falls notwendig, wieder in Stand bringen lassen.
  5. Verhindern Sie wenn immer möglich Impuls-Käufe. Mit etwas Geduld lässt sich praktisch jedes vermeintlich einmalige „Schnäppchen“ woanders zu besseren Konditionen finden. Die Ausrede „vom einmaligen Angebot“ können Sie selbstverständlich weiterhin als Rechtfertigung für Ihre/n Partner/in vorbringen.
  6. Die teuerste Uhr ist immer diejenige, welche „anstelle derer“ gekauft wurde. Diese global gültige Erkenntnis soll vor Zwischenkäufen mit hohem Frustpotential schützen. Warten Sie lieber, bis „the one and only“ in Reichweite kommt.

Und das sagt Ihnen ein bekennender Themenpark-Besucher.

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2004 veröffentlicht.

3 Kommentare

  1. Hallo habe eine frage habe eine TAVERNIER mit der nummer 2952 aber finde nirgends etwas kann mir jemand dazu etwas sagen und preis danke

  2. Hallo Roger

    Sehr schön geschrieben. Ich finde mich dennoch nicht in einer der vier Gruppen … ;-)

    Auf jeden Fall habe ich auf deinem Blog einiges zu lesen.

    Danke von TST_PP

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