Rado Captain Cook

Der Berner Uhrenhersteller Rado verfolgte lange Zeit eine spürbar andere Positionierung, sowohl innerhalb der eigenen Swatch Group als auch im Vergleich zum Rest der Uhrenindustrie. Resultat: Wer als Erstkäufer in den 80er-Jahren eine unverwüstliche Designer-Uhr kaufen wollte, griff zur 1986 eingeführten Rado Integral (Wagemutige zur 1985 eingeführten Rock Watch von Tissot, Ethno-Fans ab 1989 zu Michel Jordi). Die Uhren von Rado schienen dank Hightech-Keramik-Gehäusen direkt der Zukunftsvision eines Doc Brown zu entstammen, und die Marke war wie keine andere bis in die jüngere Vergangenheit auf einen sehr eng definierten Typ Uhr und Käufer abonniert. Man hatte sich dadurch eine eigene Nische geschaffen, in der man praktisch konkurrenzlos wirtschaften konnte. Nachdem aber Espadrillos, Schulterpolster und weisse Hosen irgendwann nicht mehr ganz so angesagt waren, musste die plötzlich etwas uncooler gewordene Marke der Swatch Group reagieren und hat in den letzten 15 Jahren eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Bestes Beispiel? – Die 42 mm grosse Captain Cook Automatic von 2019, die aus persönlicher Sicht klar zu den Taucher-Highlights des Uhrenjahres gehört:

Rado Captain Cook Automatik 42 mit grünem Zifferblatt und Drehring
Die 2019 lancierte Captain Cook mit 42 mm Durchmesser, hier mit grünem Zifferblatt und Drehringinlay aus Keramik

Retro-Taucheruhr als Erfolgsrezept

Mit der Neuauflage der DiaStar (Ref. R12639023) hatte Rado das erste mal in der Neuzeit für Aufmerksamkeit bei Taucheruhren-Fans gesorgt. Mit der R5.5 im 2009 wurde endlich eine Designer-Uhr lanciert, bei der man nicht mehr darauf hinweisen musste, dass es sich auch wirklich um eine solche handelte. Dann folgten die mehr als soliden D-Star Modelle (2011), die Hyperchrome 1616 und im Jahr 2017 die vielbeachtete, originalgetreue Neuauflage der Captain Cook von 1962. – Ähnlich wie schon bei Tudor die Heritage Black Bay zum Zugpferd der Marken-Reaktivierung geworden war, realisierte mancher Sammler, dass der Marke in der jüngeren Vergangenheit vielleicht etwas arg fest die kalte Schulter gezeigt worden war. Einziger Haken: die 37,3 mm grosse, originalgetreue Limited Edition (Ref. R32500305) war manchen etwas arg klein, die 45 mm grosse und optisch modernere Titanversion dafür fast allen zu gross ausgefallen.

Rado Hyperchrome Captain Cook 45 mm
Nebst der Neuauflage der Taucheruhr von 1962 debütierte 2017 in Basel auch die 45 mm grosse, optisch modernisierte Version der Captain Cook. Das Gehäuse der Uhr ist aus Titan, die Lünetteneinlage aus Keramik.

Zwei Jahre später, im Januar 2019, zeichnete sich aber ab, dass mit einer typisch Schweizerischen Kompromisslösung dem kommerziellen Erfolg des Modells eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfte: neu 42 mm Durchmesser, Weiterführung des klassischen Designs, „Beads of Rice“ Stahlband und wahlweise ein blaues, grünes, schwarzes oder graues Zifferblatt.

Perfekter Deskdiver

Die 42 mm grosse, bis 200 Meter wasserdichte Version der Captain Cook besticht in erster Linie durch ihre visuelle Nähe zum Original aus 1962 (Ref. 11683): die zum Saphir-Glas hin abfallende Lünette aus Keramik (immer noch ohne Leuchtpunkt) nimmt eine Sonderstellung im Markt ein, die man auch bei Vintage-Uhren (bspw. Breitling SuperOcean) leider nur selten sieht. Funktional ist sie einer flachen, oder nach aussen abfallenden, weniger exponierten Umsetzung natürlich nicht gewachsen, aber optisch gibt sie einiges her. Die weisse Datumsscheibe mit roten Ziffern, das gewölbte Zifferblatt und Glas, das Reiskorn-Band sowie die etwas exponierte Krone ergänzen den Retro-Look einer Uhr, die perfekt dem Zeitgeist entspricht, aber nicht zwingend auf eine Tauchsafari gehört. Mit anderen Worten: die Captain Cook Automatic ist die uhrmacherische Äquivalenz zu einem neu-eröffneten Barber-Shop.

Rado Captain Cook Automatik 42 mit blauem Zifferblatt und Drehring
Captain Cook mit blauem Zifferblatt und Drehring

80 Stunden Ausdauer

Als Mitglied der Swatch Group kommt Rado in den Genuss, das noch relativ neue ETA C07.611 mit 80 Stunden Gangreserve beziehen zu können. Die 2013 vorgestellte Weiterentwicklung des ETA 2824-2 kommt mit reduzierter Frequenz (21’600 Halbschwingungen, resp. 3Hz) und erhöhter Gangreserve. Gleichsam ist das Werk mittlerweile auch schon recht breit gestreut: bei den Konzern-Schwestern Hamilton, Tissot, Longines oder Certina beispielsweise gibt’s den selben Antrieb zu signifikant tieferen Preisen. – Selbstverständlich nicht mit weisser Datumsscheibe und roter Schrift, aber dennoch die selbe Basis (unklar ist aufgrund des geschlossenen Bodens, wie stark Rado den Rotor noch personalisiert, bei der Regulierung investiert und auf Silizium-Teile zurückgreift). Als Vergleich: die moderner gestaltete Seastar mit Stahlband und Powermatic 80 (bspw. Ref. T120.407.11.051.00) kostet CHF 745.00, hat aber u.a. auch kein gewölbtes Saphir-Glas, Zifferblatt etc.

Das haptisch überzeugende Stahlband kommt mit einer robusten Faltschliesse, verfügt aber weder über eine Feinverstellung, noch einen Sicherheitsbügel oder Tauch-Verlängerung.

Volltreffer?

Kurz gesagt: Wer auf Uhren im Vintage-Design steht, wird bei der Rado Captain Cook Automatik wenig Kritikpunkte finden. Die Uhr wirkt mit 42 mm Durchmesser gross genug fürs Jahr 2019, ist aber zeitgleich filigran genug, um auch schmaleren Handgelenken keine Probleme zu bereiten (auch hier gilt natürlich: zuerst anprobieren). Vor allem die etwas ungewöhnlicheren Zifferblattfarben blau, grau und grün stellen eine attraktive Option dar, während die schwarze Zifferblattoption im Vergleich dazu ausnahmsweise eher unspektakulär wirkt.

Rado Captain Cook Automatik 42 mit grünem Zifferblatt und Drehring neben Vintage Damenuhr und Re-Edition von 2017
Generationentreffen: Vom überaus seltenen Damenmodell zur aktuellen 42 mm Uhr zur Re-Edition mit originalen Abmessungen des Modells von 1962

Unter dem Aspekt der optisch möglichst originalgetreuen Umsetzung der Uhr von 1962 hätte man die Captain Cook nicht besser ins Jahr 2019 transportieren können. Nichtsdestotrotz gibt’s ein paar Punkte, die erwähnenswert sind: Das Datumsfenster trägt nur bedingt zur Balance des Zifferblatts bei. Der zur Mitte hin vergleichsweise breite Ansatz des Stundenzeigers will nicht ganz zum sehr dünnen Ansatz des Minutenzeigers passen, aufgesetzte Indexe wären (dem Listenpreis entsprechend) eine willkommene Aufwertungen gewesen, und inwieweit der Produktname „Captain Cook“ im Jahr 2019 noch aufs Zifferblatt einer Uhr passt, könnte allenfalls eine Diskussion und eine weitere Bodengravur wert sein (zudem wird sich mancher Typograf am Abstand zwischen dem „a“ und „i“ stören). Zu guter letzt überrascht der Preis von CHF 2’000.00 gleich doppelt, und sei es auch nur schon, weil zwischen Stahl- und Lederband kein Unterschied besteht. Nachdem Rado konsequent die Verwendung des Begriffes „Taucheruhr“ meidet, sollte die Sache mit dem Lederband und der fehlenden Bandverlängerung aber kein Kritikpunkt sein.

Fazit: Rado blieb mit dem Rest der Swatch Group im Jahr 2019 bekanntlich der Baselworld fern, die 42 mm grosse Captain Cook hätte es aber mit Leichtigkeit auf die Liste der spannendsten Taucheruhren-Neuheiten des Jahres geschafft. Das Design orientiert sich enorm nahe am Original aus dem Jahr 1962, was einerseits genau den Charme der Uhr mit ausmacht, andrerseits aber das kritische Hinterfragen einiger Details verhinderte. Vor allem die grüne und blaue Zifferblattversion am Reiskorn-Band stechen aus der Masse an Uhren mit Drehringen heraus und dürften insgesamt für die Neupositionierung der Marke bei Sammlern und jüngeren Käufern eine erhebliche Rolle spielen. Der etwas hohe Listenpreis kommt vielleicht ein, zwei Jahre zu früh, aber im Vergleich zu ähnlichen Retro-Divern wie der neuen Doxa Sub 200 oder der Sixty-Five von Oris dürfte Rados jüngste Umsetzung der Captain Cook einigen Interessenten die Wahl enorm schwierig machen. Eines ist aber auf alle Fälle sicher: die Rado der 80er-Jahre ist definitiv Geschichte.

Bilder (Grossansicht nach Klick):

Technische Daten:

Hersteller:Rado Watch Co. Ltd
Modell: Captain Cook Automatic
Lancierungsjahr: 2019
Durchmesser: 42 mm
Bauhöhe:12.1 mm
Gehäuse: Edelstahl poliert, verschraubte Krone, 200 Meter Wasserdichtheit, verschraubter Gehäuseboden, gewölbtes Saphirglas mit Entspiegelungsschicht, einseitig drehbare Lünette mit Keramikeinlage (120 Klicks)
Band:
Stahl- oder Lederband, beide mit Faltschliesse, Schnellwechselsystem
Gewicht: ca. 137g (Stahlband), 91g (Lederband)
Werk:ETA C07.611 mit 80 Stunden Gangreserve
Varianten:Eine Version mit grauem Zifferblatt, schwarzer Lünette und Lederband (Ref. R32505305 / 01.763.0505.3.130), eine ganz dunkelgraue Version mit Lederband (Ref. R32505015 / 01.763.0505.3.101), grün mit Leder- (Ref. R32505315 / 01.763.0505.3.131) oder Stahlband (R32505313 / 01.763.0505.3.031) sowie blau mit Leder- (Ref. R32505205 / 01.763.0505.3.120) oder Stahlband (Ref. R32505203 / 01.763.0505.3.020). Den Abschluss macht eine schwarze Version mit Stahlband (Ref. R32505153 / 01.763.0505.3.015).
Neu im 2022: Eine Version mit dunkelrotem Zifferblatt (Ref. R32105353), zwei Versionen in Bi-Color (PVD) mit schwarzem Zifferblatt (Ref. R32138153 in Gelbgold-Optik, Ref. R32137153 in Rotgold-Optik).
Preis:CHF2’000.00 (2019)

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2019 veröffentlicht.

Update (2020): Per April 2020 bietet Rado eine mit 300 Meter Wasserdichtheit leicht angepasste Version an, von der es auch erstmals Varianten mit Bronze-Gehäuse geben wird. Die 45 mm grosse Version wird dafür aus dem Sortiment genommen, und im 2021 folgt eine Keramik-Version mit 42 mm Durchmesser.

Die 2020 lancierte, bis 300 Meter wasserdichte Captain Cook kommt mit Tiefenangabe auf dem Zifferblatt, modernerem Band und grösserer Krone. Die Bronze-Version zudem mit aufgesetzten Indexen.