Panerai Radiomir

Luxus der Reduktion

Kein Drehring, keine Tauchverlängerung (am ohnehin) ungeeigneten Lederband, kein Sekundenzeiger und keine ausreichende Wasserdichtheit: Als Taucheruhr fällt die im April 2005 vorgestellte Panerai Radiomir Base (Ref. PAM00210) gleich voll durch. Aber das darf sie auch, schliesslich hat sie diese Karriere schon vor ein paar Jahrzehnten an den Nagel gehängt. Dafür bietet sie ein fast schon opulentes Mass an Reduziertheit – und genau diese zwei unvereinbaren Begriffe heben einen recht stattlichen Betrag im Geldbeutel auf.

Die 2005 vorgestellte Panerai Radiomir PAM00210 ist das punkto Werk (Unitas) und Preis günstigste Modell der Reihe

Rückblick

Die breite Masse verbindet mit dem Hersteller Panerai gemeinhin die auffälligen Modelle mit dem typischen Kronenbügel. Etwas untergegangen ist dabei im anfänglichen Hype, dass die ursprüngliche Panerai-Armbanduhr noch nicht über dieses Feature verfügte, sondern im klassischen, aber überdimensionierten Kissengehäuse mit freistehender Krone zum Einsatz kam:

47 mm grosse Radiomir aus dem Jahr 1938. Ausstellungsstück in der Panerai-Boutique in Florenz.

Der erste Prototyp für die italienische Marine (1936) wurde noch mit dem sogenannten California-Zifferblatt ausgeliefert (ein Mix aus arabischen und römischen Ziffern), während das Folgemodell (1938) bereits über das klassische Panerai-Zifferblatt verfügte, welches dem hier gezeigten Modell zu Grunde liegt. Die Bezeichnung „Radiomir“ geht hierbei auf das damals verwendete Leuchtmittel zurück. Der typische Kronenbügel folgte erst 1956 und verhalf der Uhr zu mehr Wasserdichtheit und Schutz vor Schlägen. Angesichts der sehr bruchstückhaften Behandlung von Panerais Historie durch Richemont muss an der Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Unterteilung in „Radiomir = Modelle ohne Kronenschutz“ und „Luminor = Modelle mit Kronenschutz“ nicht korrekt ist, die zwei Leuchtmassen-Bezeichnungen wurden unabhängig der Kronenkonstruktion verwendet.

Aber zurück in die jüngere Vergangenheit: Es überrascht bei näherer Betrachtung nicht, dass die bedeutend markanteren und und eigenständigeren Luminor-Modelle zuerst lanciert wurden, während die traditionellere Radiomir-Form lange Zeit vernachlässigt wurde. Bis 2004: Nachdem Panerai mit der Radiomir Blackseal (PAM183) und der 8 Days (PAM 190) erfolgreich der historischen Radiomir-Kollektion wieder das gebüh rende Gewicht verschafft hatte, folgte ein Jahr später als Einstiegsmodell die hier vorgestellte Radiomir Base (PAM 210). Im Vergleich zum Urmodell verfügt die heutige Radiomir über ein Zifferblatt in Sandwich-Bauweise und im Vergleich zur Blackseal über keine kleine Sekunde, was ihr schlussendlich die COSC-Prüfung verunmöglichte. Dafür bietet sie mit ihrer eleganteren Form (obschon es grundsätzlich schwierig ist, bei 45 mm Durchmesser von „Eleganz“ zu schreiben) und dem durchgängig polierten Gehäuse eine Alternative für Cocktail-Party-Tauchgänge.

Close-Up: Das Zifferblatt in Sandwich-Bauweise ist mit Leuchtmasse unterlegt

Einblick

Wie bei fast allen Panerai-Modellen lässt sich die Ablesbarkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit kaum noch verbessern, und dank dem zweischichtigen Zifferblatt gewinnt die Uhr zusätzlich an Tiefe. Dennoch wäre es für manchen Käufer wahrscheinlich interessanter, an der Uhr bei Tag kontrastreichere und historisch passendere, vergoldete Zeiger zu sehen. Nichtsdestotrotz ist die Radiomir ein Hingucker in jeder Hinsicht, erst recht von hinten: Auch wenn es sich „nur“ um ein überarbeitetes Unitas-Handaufzugskaliber handelt, so bereitet der Anblick der attraktiv finissierten (und neuerdings ohne Panerai-Gravur versehenen) Brücken immer wieder Freude.

Officine_Panerai_Radiomir_210_Caseback
Das Edelstahlgehäuse mit Sichtglasboden erlaubt den Blick auf das als Unitas 6497 bekannte Handaufzugskaliber, hier als Cal. OP X bezeichnet

Der Tragekomfort ist erstaunlich gut, obschon die tiefliegende, scharfkantige Krone zu eher unangenehmen Handrücken-Kontakten neigt und die 45mm Durchmesser in Kombination mit den demontierbaren Band-Bügeln gefährlich nahe an die Grenze durchschnittlicher Handgelenke kommt. Ziemlich unnötig ist die verschraubte Krone: Wer täglich seine Uhr aufziehen muss, wird sich am ständigen Auf- und Zuschrauben nicht lange erfreuen; das Kronengewinde vermutlich ebenfalls nicht.

Die eigentlich nach dem (ehemals) verwendeten Leuchtmittel benannte Uhr macht in der Dunkelheit eine gute Figur.

Der grösste Kritikpunkt an der Radiomir Base dürfte indes ihr Preis sein: Hier wird es sehr schwierig, ein rationales Argument zu finden, welches den Preis von CHF 4’700.- (2005) rechtfertigt – notabene für eine Stahluhr ohne Sekundenzeiger und Datum, bewährtem aber unspektakulären Taschenuhrwerk zwischen zwei Lederbändern montiert. Ein Ersatzband oder einen Schraubenzieher sucht man selbstverständlich ebenfalls vergebens.

Und das ist wohl auch das Geheimnis der Radiomir Base – sie ist dermassen entwaffnend reduziert, dass sie in ihrer Schlicht- und Gesamtheit eben ganz einfach ein Statussymbol für kaufkräftige Design- und Markenfetischisten ist. Diese Rolle beherrscht sie dafür perfekt.

Technische Daten

Modell: PAM 210, Officine Panerai Radiomir
Masse: 45mm Durchmesser, ca. 14mm Höhe
Gewicht: ca. 100 g
Auflage: 1’500 Exemplare pro Jahr, Band: handgenähtes schwarzes Lederband mit Dornschliesse (in der grossen, historisch-orientierten Schliessen-Version)
Zifferblatt: In Sandwich-Bauweise gefertigtes schwarzes Zifferblatt mit SL-Leucht-Indexen
Krone: Verschraubt, historisches OP-Logo als Kronengravur
Glas: bombiertes Saphirglas auf Zifferblatt-Seite; planes Saphirglas auf Gehäuse-Rückseite
Wasserdichtheit: 100 Meter
Werk: Cal. OP X (Basis Unitas 6497) mit Handaufzug, 21’600 A/h, 17 Lagersteine und rund 56 Stunden Gangreserve, Glycidur-Unruh und Schwanenhals-Feinregulierung; Incabloc Stosssicherung; Genfer Streifenschliff (Brücken) und gebläute Schrauben
Funktion: Stunden, Minuten
Lieferumfang: Zertifikat, Bedienungsanleitung, Holzbox und Überkarton
Preis: CHF 4’700.- (2005)

Dieser Artikel wurde im Jahr 2005 veröffentlicht.

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