Rolex: Eine Zeitreise ins Jahr 1951

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Ich kann mich noch gut erinnern: im Jahr 2015 fand ein Sammler eine Deep Sea Alarm von LeCoultre für knapp 6 Dollar. Mir sind solch sensationelle Fundstücke bislang selber nicht über den Weg gekommen, Grund zur Klage habe ich deshalb aber definitiv nicht: der für mich nach wie vor glücklichste Kauf der letzten 20 Jahre geht auf das Jahr 2008 zurück, als ich an einer Uhrenmesse zufällig einen ganzen Stoss Uhrenmagazine aus den Jahren 1961 bis 1974 für einen relativ kleinen Betrag kaufen konnte. Zugegeben, es hat mich etwas mehr als 6 Dollar gekostet, aber der Kauf hat sich für mich trotzdem von der ersten Sekunde an gerechnet. Gerade weil ich mich seit nunmehr 20 Jahren mit der Uhrenindustrie und damit deren Geschichte intensiv auseinandersetze, stellt das Paket immer noch einen für mich unbezahlbaren Weg dar, Kontext zu schaffen und Fakten zu überprüfen, was einzig mit den Pressemitteilungen der Marken logischerweise in keiner Weise machbar wäre. Es handelt sich also quasi um eine Zeitmaschine in Papierform.

Das Thema Taucheruhr kommt dabei zwar für meinen Geschmack viel zu kurz (im Kontext der 60er- und 70er-Jahre war die Produktkategorie schlichtweg nicht wichtig genug, um laufend darüber zu berichten), nichtsdestotrotz findet sich gelegentlich auch zu dem Thema redaktionelles Gold zwischen den Umschlagseiten. Aktuelles Beispiel: das Branchenmagazin Europastar hat 1964 ein Interview mit „einem der Direktoren der Rolex-Uhren AG, Genf“ gebracht, das in mindestens zwei Punkten ziemlich hellhörig werden lässt.

Radiomir aus dem Jahr 1936

Zum Thema Panerai und den italienischen Kampftauchern findet sich folgende Aussage: “ […] Interessant ist, dass diese Soldaten die ‚Oyster‘ trugen. Diese Uhren, die wir an einen Schweizer Kunden lieferten, wurden weiter exportiert, ohne dass wir über ihre Bestimmung unterrichtet waren. Wir haben es erst sehr viel später erfahren.“ Und fügte dann überraschenderweise noch an: „Es handelte sich um ‚Oyster‘-Uhren, die mit einem Spezialgehäuse versehen waren und nicht am Handgelenk, sondern oberhalb des Knies getragen wurden.“ – Interessant daran ist vor allem, dass eine von der Montres Rolex S.A. an Panerai („G. Paneraj e Figlio“) ausgestellte Rechnung vom 13. Juni 1936 existiert, die 19 Uhren der Ref. 2533 auflistet, und eine frühere Rechnung der Rolex Watch Co. Ltd an Panerai („Guido Paneria & Figlio“) vom 24. Oktober 1935 über ein Exemplar der Ref. 2533 über 640 Lire. Ob hier Rolex rückwirkend selber den Abstand zum militärischen Verwendungszweck durch das faschistische Italien ausbauen wollte, bleibt offen, in Kombination mit der Tragegewohnheit am Bein ist das Ganze aber mit doppelter Vorsicht zu geniessen.

Zum Thema Submariner machte der im Artikel namentlich nicht genannte Mitarbeiter von Rolex folgende Aussage: „Die erste Rolex-Submariner wurde 1951 geschaffen. Ich war übrigens der erste, der sie bei einem Tauchversuch bis zu 50 Meter Tiefe ausprobierte.“ – Interessant deshalb, weil in Kontrast zu 1953, dem gemeinhin offiziellen Geburtsjahr (im Sinne der öffentlichen Vorstellung) der Submariner und der Fifty Fathoms, damit etwas mehr Details über den Entwicklungszeitraum der Uhr davor bekannt würden.

Bei aller Euphorie muss an dieser Stelle aber nochmals erwähnt werden, dass…

  • zum Zeitpunkt des Artikels (1964) bereits mehr als ein Jahrzehnt seit dem offiziellen Launch der Submariner vergangen war
  • grundsätzlich jedes Unternehmen gerne eine Pionierrolle beansprucht, auch im Gespräch mit den Medien; respektive…
  • …nur, weil etwas vor langer Zeit gedruckt wurde, eine Aussage deshalb heute nicht zwingend mehr Wahrheitsgehalt haben muss (die bei Panerai verwendeten Bänder widersprechen beispielsweise etwas der Aussage, die Uhren wären am Bein des Tauchers getragen worden), wie auch die Einführung des Namens „Submariner“ eine andere Timeline voraussetzt, und
  • Rolex selbst ja bekanntlich auch eine andere Zeitrechnung hat
  • die Entwicklung einer Uhr auch heute gerne ein paar Jahre dauert und somit die beiden Eckpunkte „Prototypen-Tests“ und „Markteinführung“ nicht zwingend unmittelbar beieinander liegen müssen

Kurz gesagt, es ist schwierig, abschliessend zu urteilen, ob der Produktname und das Jahr der Uhr im Interview mit einem zu frühen Zeitpunkt genannt wurden, oder mit 1951 ganz einfach der Beginn der Entwicklung gemeint war (die englische Ausgabe spricht demzufolge auch etwas präziser von „was designed in 1951“). Ebenfalls ist klar, dass mehr als eine Person (resp. Uhrenmarke) zur selben Zeit am selben Problem herumstudiert haben dürfte.

Aus Sicht von Blancpain sieht die Situation nämlich folgendermassen aus: Jean-Jacques Fiechter, der Blancpain von 1950 bis 1980 als Generaldirektor leitete und selber passionierter Taucher der ersten Stunde war, hatte (u.a. auch wegen eines Vorfalles unter Wasser) früh die Notwendigkeit einer zuverlässigen Uhr für den Unterwassereinsatz erkannt, und die Entwicklung einer Taucheruhr bei Blancpain selbständig vorangetrieben. Er selber erinnerte sich in einem kürzlich veröffentlichten Dokumentarfilm der Marke, mit den praktischen Tests der Fifty Fathoms im Jahr 1952 begonnen zu haben.

Blancpain Fifty Fathoms aus dem Jahr 1953

Interessanterweise existiert offenbar sogar auch ein Foto von 1952 von Fiechter und René-Paul Jeanneret, dem damaligen Direktor der Rolex SA und treibende Kraft in der Entwicklung der Submariner (und dadurch eventuell auch der oben namentlich nicht genannte Mitarbeiter von Rolex), das beide Männer gemeinsam auf einem Boot zeigt – Fiechter bereits mit der Fifty Fathoms am Arm.

Mehr zum Thema: Wie die Lünette auf die Taucheruhr kam / Chronologie der Taucheruhr

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