Gegen den Dichtestress auf dem Zifferblatt

Angefangen bei der Marke/dem Logo (und gelegentlichen Co-Brandings), der Kollektions-Bezeichnung, dem Modell-Namen, der Aufzugsart, sogar dem Gehäuse-Material und der Bestätigung von dessen vorhandener Wasserdichtheit, dem Verwendungszweck der Uhr, gefolgt von der garantierten Tiefe, unterschiedlichen Zertifizierungen, der Werkbezeichnung und dessen Gangreserve bis zu Material und Herkunft des Ganzen haben Hersteller seit jeher die sprichwörtliche Qual der Wahl, wenn es darum geht zu entscheiden, welche „Features“ und „Product Characteristics“ schlussendlich in Textform auf dem Zifferblatt ihrer Uhren landen – und was zu Gunsten der gestalterischen Ruhe (und Ablesbarkeit) vielleicht eher auf den Gehäuseboden gehört.

Rolex hat mit dem Wechsel von der Ref. M126067-0001 von 2022 (s.o.) zur hier gezeigten Ref. M126067-0002 von 2025 immerhin eine Zeile Text auf dem Zifferblatt reduzieren können: „Deepsea Challenge“ ist neu in der unteren Hälfte und ersetzt nach der Kollektions-Aufteilung den früheren Zusatz „Sea-Dweller“.

Ein kurzer Blick auf die jüngsten Lancierungen dieses Jahres bestätigt, dass die Textmenge auf dem Zifferblatt mechanischer Taucher-Uhren nicht abgenommen hat. Aber nicht nur das:

  • Einigkeit (also 100%) scheint einzig beim Logo (resp. Markennamen) und der Herkunftsbezeichnung (bspw. „Swiss Made“) zu herrschen, kein Hersteller will aktuell darauf verzichten, und selbst Ulysse Nardin hat bei der ultra-reduzierten Diver Air noch beides auf das Rehaut packen können.
  • Eine Mehrheit (65%) beschriftet das Zifferblatt ihrer Taucheruhren zudem mit der maximal garantierten Tiefe, einige ausschliesslich in Metern, ein paar Hersteller denken auch an den derzeit wichtigsten Absatzmarkt und weisen diese zusätzlich auch in Fuss aus – überraschenderweise verzichtet Blancpain bei der neuen Fifty Fathoms Tech komplett darauf (resp. verwendet dazu die Gehäuserückseite), nicht aber bei der Fifty Fathoms Automatique („300m/1000ft“).
  • Ebenfalls führt die Mehrheit der Hersteller (59%) die Modellbezeichnung auf dem Zifferblatt auf (bspw. Sub 750T), obschon natürlich die Grenze zwischen Kollektion („Aquis“) und Modell (Aquis Date Relief) gelegentlich fliessend sind.
  • Apropos Kollektion: ein Drittel (31%) führt auch das auf dem Zifferblatt auf („Seamaster“).
  • Ein weiteres Drittel (34%) erwähnt die Aufzugsart des Werks („Automatic“), ein Fünftel (21%) die generelle Fähigkeit zum Abtauchen (bspw. „Water Resistant“).
  • Exotischer (6%) wird’s bei der Werkbezeichnung (bspw. „Powermatic 80“ bei Certina) und dessen Gangreserve (12%), wobei insbesondere das Caliber 400 von Oris („5 Days“) und Seiko („3 Days“) hier mit einer entsprechenden Zifferblatt-Widmung zu erwähnen sind
  • Praktisch ausgestorben (resp. heute vor allem für Retro-Editionen verwendet) sind die früheren (als solche empfundenen) Qualitätsmerkmale eines Werks, wie die Anzahl Lagersteine („26 Jewels“) oder dessen Stossfestigkeit („Anti-Shock“, „Incabloc“).
  • Besondere Zertifizierungen (bspw. „Master Chronometer“ bei Tudor und Omega) werden meist auf dem Zifferblatt erwähnt, obschon ausgerechnet Breitling (wo jede Uhr als Chronometer zertifiziert wird) bei der neuen Superocean Heritage auf dem Zifferblatt darauf verzichtet hat (und dafür den Gehäuseboden verwendet), während die modernere, leistungsbetontere Superocean von 2022 den Zifferblatt-Zusatz wiederum hat.
  • Sinn dürfte mit der neuen U-Serie und den jeweils zurückgelegten Seemeilen des Spender-U-Boots sowie der T50 in Goldbronze gleich zwei vergleichsweise kreative Varianten von Zifferblatt-Texten im Sortiment haben, wobei auch schon Panerai das Gehäusematerial (in dem Fall „eSteel“) aufs Zifferblatt genommen hat.

Drei weitere Beispiele:

Während Tudor bei der Pelagos von 2012 (Ref. 25500TN), ganz links, noch sparsam mit Text auf dem Zifferblatt umgegangen ist, verfügte die Nachfolgerin von 2015 (Ref. 25600TN), Mitte, bereits über fünf Zeilen. Mit der Pelagos Ultra von 2025 (Ref. 2543C1A7NU) ist das zum Glück wieder etwas bereinigt worden.

Bei der neuen SPB501 schafft Seiko zwar das Kunststück, gleich drei Logos (Seiko, Prospex und PADI) erstaunlich harmonisch auf ein Zifferblatt zu packen. Spätestens bei der Frage, ob die maximale Gangreserve des automatischen 6R55 ebenfalls da hin gehört, dürfte beim einen oder anderen Interessenten aber der Wunsch nach mehr gestalterischer Ruhe aufkommen.

Fazit

Thematisch macht die Tiefenangabe auf dem Zifferblatt einer Taucheruhr am meisten Sinn, während vor allem die Gangreserve eines i.d.R. automatischen Werks wenig Mehrwert bietet und locker auf den Gehäuseboden gepackt werden könnte. Das Logo und der Produktname gehören zum Standard, müssen also auch nicht gross hinterfragt werden (ausser man arbeitet als Gestalter bei Ming). Die grösste Unsinnigkeit dürfte aber die Beschreibung als Taucheruhr darstellen – in der selben Logik müsste ein Porsche 911 Carrera auf dem Heck als „Sports Car“ mit „8-speed Porsche Doppelkupplung (PDK)“ und „294 km/h / 182 mph“ angeschrieben werden.

Während bei der Fifty Fathoms die Datums-Integration gelegentlich kritisiert wird, gibt’s am Zifferblatt-Text objektiv wenig zu auszusetzen (zumal die ehemalige Tiefenangabe „Fifty Fathoms“ längst nicht mehr als solche empfunden wird und damit auch keine Redundanz zur effektiven Wasserdichtheit des aktuellen Modells besteht).

In diesem Sinne wäre auch bei den Taucheruhren weniger Lesestoff auf dem Zifferblatt viel mehr.

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