Hands-On: Christopher Ward C65 Super Compressor

Ende August hatte die englische Uhrenmarke Christopher Ward ein Revival einer Taucheruhr mit Super Compressor-Gehäuse angekündigt (siehe Beitrag hier), höchste Zeit also für einen etwas kritischeren Blick auf die Neuheit im Retro-Look:

So viel vorneweg: die C65 mit nachgebautem Super Compressor-Gehäuse bietet wie gewohnt unglaublich viel Qualität für den aufgerufenen Preis. Eher ungewohnt ist für die 15 Jahre junge Marke mit Direktvertrieb, dass man für ein Design technisch und optisch eine viermal so alte Konstruktion wiederbelebt hat. – In diesem Fall mit Sichtglasboden, womit die Wasserdichtheit auf 150 Meter gesunken ist – immer noch ausreichend für den Gang ins Wasser, aber halt weniger dicht als beim Original.

„Reverse-engineered by our team in Switzerland, this is a fully functioning super compressor with the ’60s looks to match. And thanks to improvements in watch construction, it’s the first one with an ‘exhibition’ caseback, through which you can see the ultra-thin compression spring.“ 

Christopher Ward Produktbeschrieb

Die Idee hinter dem ehemals von Ervin Piquerez S.A. (EPSA) patentierten Kompressor-System: es erlaubte dem Gehäuse, „to become more watertight as you descend“; also je tiefer die Uhr kommt, umso dichter wird das Gehäuse, ohne dabei die Dichtung zu stark zu beanspruchen. Ein gelungener Wink an die Vorlage findet sich dementsprechend im aufgedruckten Taucherhelm auf dem orangen Kompressionsring und der Karo-Gravur auf der Krone bei 2 Uhr, die auch gleich die Farbgestaltung des Rings mit aufnimmt und dadurch die Abgrenzung zur verschraubten Krone bei 4 Uhr erhöht.

Die unverschraubte Krone bei 2 Uhr ist zur Einstellung der innenliegenden Lünette. Christopher Ward hat diese zudem einseitig rastend (120 Klicks) ausgeführt.

Mit 41 mm Durchmesser sind die Proportionen des kissenförmigen Gehäuses gut gewählt, und vor allem die hellblaue Zifferblattversion („Ocean Blue“) bringt viel Eigenständigkeit ans Handgelenk, gepaart mit ebenso viel Retro-Charme. Apropos Charme: Mit lediglich CHF 115.00 Aufpreis fürs massive Edelstahlband (ebenfalls mit Schnellwechselsystem) liegt diese Konfiguration logischerweise nahe, aber für den historisch korrekten Look, der zudem die Uhr an sich besser zur Geltung bringt, wäre ein Tropic- oder allenfalls Lederband etwas passender (hier abgebildet ist das Kautschukband mit Textileinsatz und Dornschliesse). Zudem gefällt nicht jedem Besitzer der Anstoss vom Stahlband, der das Gehäuse etwas überstehen lässt.

Mehr Komplexität aufgrund innenliegender Lünette

Der Vorteil einer innenliegenden Lünette liegt in doppeltem Sinne auf der Hand: Der Drehring ist gut geschützt unter dem gewölbten Glas. In diesem Fall sogar einseitig rastend, womit ein unbeabsichtigtes Verstellen praktisch unmöglich wird. Gleichzeitig zeigt aber nicht nur ein Blick auf die letzten 67 Jahre der Geschichte der Taucheruhr (oder der Lünette selbst), dass sich die Praktikabilität dieser Umsetzung in Grenzen hält, und der doch eher breite Ring reduziert darüber hinaus die optische Dominanz des Zifferblatts (hier dürfte es aber vermutlich nur eine Frage der Zeit sein, bis Christopher Ward zusätzliche, einheitliche Farbvarianten nachschieben wird). Definitiv problematisch bei der vorliegenden Uhr ist indes, wie viel Kraft erforderlich ist, um die Lünette zu bewegen – hier dürfte klar sein, dass es sich um einen Einzelfall handelt.

Christopher Ward setzt beim Werk der C65 auf das SW200-1 von Sellita mit rund 38 Stunden Gangreserve. Dank Sichtglasboden wird auch gleich die Kompressor-Konstruktion (der orange Ring und die darunter liegende Feder) sichtbar.

Schwieriger wird’s beim Zifferblatt: Der rote Schriftzug „Super Compressor“ ist nicht mittig aufgedruckt, sondern leicht nach links versetzt (laut Christopher Ward betrifft dies die erste Charge Uhren). Für die Leuchtpunkte der ersten 20 Minuten kommen zudem gelbe, für den Rest weisse Punkte zum Einsatz – eine Hervorhebung, die höchstens auf der Lünette funktional Sinn machen könnte, nicht aber auf dem Zifferblatt (ausser, der Startpunkt der Messung liegt zufälligerweise bei 12 Uhr). Insgesamt kommt so der Eindruck auf, dass die Vereinbarkeit der Komplexität des Projektes, der Qualitätssicherung und Preisgestaltung hier vielleicht etwas an ihre Grenzen gestossen sind.

Fazit: Christopher Ward hat mit der C65 die seltene Balance geschafft, eine alte Konstruktion wiederzubeleben und dabei dennoch genügend Eigenständigkeit zu schaffen. Interessenten erhalten ohne Zweifel eine überdurchschnittlich hochwertig wirkende Uhr, müssen aber bei der Funktionalität ein paar Abstriche in Kauf nehmen. Dazu gehören die Ablesbarkeit bei Nacht, das Verstellen des Drehrings und die reduzierte Wasserdichheit von 150 Meter. Unter dem Strich müssen Käufer entscheiden, ob sie die C65 wegen ihres Looks, oder wegen ihrer Qualitäten als Taucheruhr kaufen möchten.

Technische Spezifikationen:

Hersteller:Christopher Ward
Modell:C65 Super Compressor
Referenz-Nr.:C65-41ASC1-S0WK0
Gehäuse:Edelstahl mit innenliegender Lünette (einseitig rastend drehbar über die Krone bei 2 Uhr), verschraubte Krone, Gehäuseboden mit Sichtfenster, Saphirglas auf beiden Seiten
Abmessungen:Ø 41 mm, Höhe 13,05 mm, Länge 47,12 mm, Gewicht 72 g (ohne Band), Bandanstossbreite 22 mm
Werk:Sellita SW200-1 mit rund 38 Stunden Gangreserve
Band:Wahlweise mit Leder-, Tropic oder Stahlband
Varianten:Zifferblatt in „Ocean Blue“ oder „Black Sand“ wie hier abgebildet
Preis (2020):ab CHF 1’010.00

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