Am 1. Juni 2019 hatte die neuste Version der 2018 lancierten Seastar 1000 von Tissot hier einen Gastauftritt. Kurze Zeit danach, am 7. Juni, war das Glas bei dem gezeigten Modell auf der Innenseite leider beschlagen, und die Uhr musste am 15. Juni zurück an den Absender:

Ein erster Test durch die lokale Verkaufsstelle führte zu folgender Beurteilung: „Unser Uhrmacher hat Ihre Uhr geprüft, hat aber nichts fest gestellt. Wenn Sie es wünschen, können wir Ihre Uhr trotzdem zu Tissot zur genauen Überprüfung einsenden.“ Logischerweise wurde an der Stelle entschieden, die Uhr durch den Hersteller kontrollieren zu lassen (was seit dem 21. Juni der Fall gewesen sein sollte) – schliesslich hat die Seastar keine Trockenkapsel verbaut, und mir ist bislang auch keine Uhr untergekommen, die von selbst wieder trocknet.
Was also war geschehen? Die Seastar war am 5. Juni kurz am Strand (aber nicht im Wasser), wo sie sich von ihrer besten Seite gezeigt hatte:



Kurz danach wurde die Uhr unter fliessendem Wasser abgespült, um den auf dem Holzbalken angetroffenen Sand wieder vom Gehäuse loszuwerden. Zweimal wurde davor und danach logischerweise die Krone aufgeschraubt (Zeigerposition 10:08 Uhr fürs Foto, und wieder zurück zur tatsächlichen Zeit) und wieder verschraubt, mehr nicht. Dass die Uhr mit vollständig gezogener Krone unters Wasser gehalten wurde, ist unwahrscheinlich. Dass eine abgedichtete Krone im unverschraubten Zustand unters Wasser gehalten wurde, ebenfalls. Zudem hätten die Dichtungen dann weiterhin funktionieren müssen. Dass allenfalls in der Krone eingeschlossenes Wasser beim Verschrauben ins Gehäuse gelangte, wäre wiederum ein eher besorgniserregendes Zeichen für die generelle Konstruktion der Uhr. Dass kein Wasser ins Gehäuse gelangte, ist ebenfalls keine valable Option, hier war die erste „Überprüfung“ durch den Uhrmacher vermutlich etwas optimistisch. Ebenfalls ausgeschlossen ist, dass die Uhr zu einem anderen Zeitpunkt mit Wasser in Kontakt gekommen ist.
Schliesst man einen grobfahrlässigen Umgang meinerseits aus, handelt es sich ganz einfach um Pech. Und so reizvoll die Headline „Neue Taucheruhr säuft ab!“ für die Performance dieses Posts gewesen wäre, so unqualifiziert wäre diese aus inhaltlicher Sicht: Die Seastar ist und bleibt eine in diesem Segment hervorragend gemachte Uhr von einer Marke, die es sich weder leisten kann, eine undichte Uhr zu konstruieren, noch Probleme damit haben dürfte, im Jahr 2019 eine effektive Dichtung einzubauen. Ergo kann diese Panne keinen Einfluss auf das Resultat der Review haben, fehlt hierzu doch jegliche statistische Aussagekraft. Höchstens vielleicht, dass mir nach 20 Jahren beruflichem Umgang mit tausenden von Uhren – statistisch betrachtet – tatsächlich irgendwann ein undichtes Exemplar in die Hände kommen musste. Und auch, dass YouTuber Josh James (lustigerweise am selben Strand) mit dem selben Modell die selbe Erfahrung gemacht hatte, zeugt noch lange nicht von einem grundsätzlichen Problem. Aus Sicht des Konsumenten ist das Ganze natürlich ärgerlich, und nach gerade mal einer Woche Flitterwochen die Uhr schon wieder zurückzugeben, war nicht geplant. Gleichzeitig muss aber auch klar sein, dass bei dem Gebotenen und einem Listenpreis von CHF 825.00 irgendwo Abstriche gemacht werden müssen. Nicht bei der Qualität der Uhr, aber bspw. bei der Qualitätskontrolle. Wer nun für den Preis der Seastar 8 Jahre Garantie erwartet hat, und dachte, dass bei tausenden von produzierten Uhren wochenlange Tests vor Auslieferung drin liegen, müsste sprichwörtlich über die Bücher gehen. – Tissot muss bei diesem Preis in der Lage sein, möglichst viele Uhren mit möglichst geringem (manuellen) Aufwand produzieren zu können. Dass dabei bei mindestens einer Uhr bspw. eine Dichtung falsch gesetzt wurde, ist weder überraschend, noch skandalös. Es ist halt einfach hier passiert.
In diesem Sinne spielt es für die Beurteilung der Uhr keine Rolle, dass ein Exemplar das Thema Taucheruhr etwas zu wörtlich genommen hat. Bedeutend interessanter ist es, wie Tissot die Behebung des Schadens abgewickelt hat. Extrem positiv: Seit 29. Juni, also gerade mal zwei Wochen nach Abgabe, war die Uhr wieder bereit zur Abholung. Angesichts dieser Leistung hätte die Headline dieses Artikels deshalb auch so lauten können: „Geschwindigkeitsrekord: Tissot repariert Uhr in weniger als zwei Wochen!“ – Hier bewegt sich eine Mehrheit der Marken im obersten Preissegment mit ganz anderen Timings. In diesem Sinne ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis, dass Tissot bei vergleichsweise tiefen Preisen dem Kunden einen mehr als beeindruckend schnellen Service bietet. Gemäss Verkaufsstelle wurde in dieser Zeit das Werk revidiert, die Dichtungen und die Krone ersetzt, womit auch gleich ein Hinweis auf die mögliche Schwachstelle der Uhr gegeben wäre. Schade, aber leider nicht ganz unerwartet: dass bei der Werkrevision der Boden nicht ganz ohne Spuren geblieben ist:

Zusammenfassend ist es ärgerlich (aber leider nicht völlig auszuschliessen), dass eine Uhr mit einem Defekt ausgeliefert worden ist und zurück musste. Irritierend ist, dass die Verkaufsstelle den Defekt trotz Hinweis selber nicht selber feststellen konnte. Schade ist, dass dadurch eine neue Uhr nun bereits Spuren am Gehäuseboden hat. Demgegenüber steht eine erfreuliche schnelle Reparatur auf Garantie. Und immerhin drei gelungene Fotos.
Ich habe dieses Jahr einen ganz ähnlichen Fall mit meiner JLC Master Diving Alarm erlebt, einer Uhr für 13’400 Fr. Der Service war erst nach 12 Wochen erledigt. Das Vertrauen in die Uhr war gebrochen und ich habe sie deshalb nun weit unter Preis verkauft. Einige Marken müssen im Service gewaltig zulegen, sonst verlieren Sie Kunden.
In der Tat. Einige Marken denken leider nicht daran, dass Kunden auch Wiederholungskäufer sein könnten und stoppen die Bemühungen nach dem ersten Verkauf. Tissot hat hier mit weniger als zwei Wochen hier definitiv ein mehr als respektables Verhalten gezeigt. Sorry wegen der JLC, so etwas schmerzt.
Naja, natürlich kann mal etwas falsch laufen und eine Dichtung z.B. falsch gesetzt sein, passiert auch bei wesentlich teureren Modellen mal, aber das man wegen des Preises Abstriche in der Qualitätskontrolle hinnehmen soll, kann ich zu 100% NICHT zustimmen. Da gibt es in wesentlich geringpreisigeren anderen Sektoren (als Uhren) sehr hohe Qualitätsstandards (z.B. Medinzinprodukte, die wirklichen Schaden am Menschen anrichten könnten) und das funktioniert auch. Also wenn man bei Tissot da Einbußen hinnehmen müsste, sind diese Produkte schlicht nicht kaufbar.
Herzlichen Dank für den Kommentar. Ich würd’s mal so umschreiben: es ist zumindest schwierig vorstellbar, dass bei – sagen wir der Einfachheit halber mal – 100 fertigen Uhren, davon eine mit falsch gesetzter Dichtung, sämtliche Uhren zur Wasserdichtigkeitsprüfung gingen, und die eine fehlerhafte das Ganze trotzdem übersteht. Eher vorstellbar wäre, dass bei 100 produzierten Uhren jeweils Stichproben gemacht wurden, und das Exemplar hier nicht durch die Dichtigkeitsprüfung musste. Dies immer unter der Annahme, dass der Fehler nicht nach dem Kauf durch den Träger oder im Ladengeschäft verursacht wurde, sondern die Uhr ab Fabrik fehlerhaft war. Zweite Anmerkung: Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine Annahme, die genauen Qualitätsprüfungsprozesse bei Tissot sind nicht bekannt. Aber wie gesagt: wenn die Uhr undicht den Laden verlassen hat, hat irgendwo jemand davor nicht ganz so gut aufgepasst, ergo gab’s Einschränkungen bei der Qualitätskontrolle, nicht aber bei der Qualität der Uhr, an der gibt’s weniger zu kritisieren.