Neues Prüfverfahren für Taucheruhren

Diveintowatches.com revolutioniert* die Art und Weise, wie Taucheruhren geprüft werden: Anhand radikal neuer und massiv verschärfter Kriterien soll damit endlich ein – bspw. im Vergleich zur DIN und ISO – bedeutend aussagekräftigerer und vor allem realistischerer Ansatz verfolgt werden, Käufern von mechanischen Uhren mit Drehring eine echte Orientierungshilfe zu bieten. – Ein Anspruch, der in dieser Kompromisslosigkeit bislang von keiner anderen Publikation umgesetzt worden ist. Oder anders gesagt: was nutzen Aussagen beispielsweise zu Wasserdichtheit, Gangverhalten, Verarbeitungsqualität oder Funktionalität, wenn seit Jahren den schwierigsten Fragen konstant ausgewichen wird?

Diveintowatches.com präsentiert somit nichts Geringeres, als den härtesten und zweifelsohne praxisnahsten Test, den je eine Taucheruhr über sich ergehen lassen musste:

Die Prüfungskriterien:

  • Submarinersche Mimikry-Faktor (SMF): Die vermutlich zentralste und sicherlich auch am besten reflektierte Meinung, die in Diskussionsforen, Blogs und YouTube-Kommentarfeldern bei einer Taucheruhrenvorstellung geäussert werden kann? – „Da hat der Hersteller voll abgekupfert, ich finde, die sieht genauso aus wie eine Submariner“.
    Hiervon ausgenommen sind selbstverständlich tatsächliche Fakes und Hommagen der besagten Uhr mit der Krone, aber nachdem besonders Laien ja gerne mal die gesamte Gattung Taucheruhr an einem einzigen Modell messen, wurde es Zeit, anhand des SMF ein für alle Mal zu identifizieren, wie stark die geprüfte Uhr tatsächlich Verwechslungen mit der beliebtesten Lupe der Welt provozieren könnte.
  • Style Faux Pas Potential (SFPP): Spätestens seit ein gewisser Angestellter des britischen Geheimdienstes partout nicht einsehen wollte, dass man nebst Geheim- auch Dresscodes zu berücksichtigen hat, streiten selbst ernannte Styling-Experten weltweit darüber, ob eine Taucheruhr auch wirklich zum Smoking passt. Wir gehen diesem wichtigen Thema differenzierter auf den Grund, indem zwischen den 60 mm grossen russischen Canteen-Watches und den sportlicheren Modellen der Haute Horlogerie unfehlbar eruiert wird, wie gross das Risiko ist, sich mit dem geprüften Modell auf dem roten Teppich zu blamieren.
  • Inheritance of Attractiveness Index (IAI): Nachdem die Uhrenindustrie seit der Renaissance der mechanischen Uhr bekanntlich nichts Anderes zu Stande bringt, als alte Modelle und Technologien immer wieder aufzuwärmen, gehen wir der Frage nach, inwieweit der geprüfte jüngste Spross der Familie entweder zu stolz geschwellter Brust, oder halt umgehender Anfechtung der Vaterschaft führen sollte. Gleichzeitig kann anhand des IAI sichergestellt werden, jungen Unternehmen und Marken von Beginn weg den verdienten Abzug für die fehlende Historie reinzubrennen.
  • Small-Talk Gravitationskraft (STG): Der einzige Grund, sich eine Taucheruhr zu kaufen, liegt bekanntlich darin, abends an der Bar umgehend von Wildfremden darauf angesprochen zu werden, ob man vielleicht Mitglied einer Spezialeinheit sei. Respektive seiner interessierten Begleitung geduldig erklären zu können, warum mann unbedingt eine bis 10‘000 Meter wasserdichte Uhr haben musste. – Die STG wird unmissverständlich aufzeigen, ob die entsprechende Uhr ihr Geld auch wirklich wert war.
  • Marianengraben-Skala (MS): Wie bei allem im Leben gilt auch bei Taucheruhren: mehr ist besser**. Und noch mehr ist selbstverständlich noch viel besser. Nachdem Mutter Natur uns aber durch blosse Existenz des Challengertiefs einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht hat, endet unsere Skala leider schon bei 11‘000 Metern. Nichtsdestotrotz hoffen wir, mit der MS ein Zeichen gesetzt zu haben, damit Hersteller endlich damit aufhören, dem mündigen Konsumenten 200 oder 300 Meter wasserdichte Uhren als Taucheruhr verkaufen zu wollen. Und dass führende Tauchorganisationen hoffentlich bald dazu übergehen werden, Tauchgänge unter 40 Metern nicht mehr fürs Logbuch gelten zu lassen und eindeutig dem Schnorcheln zuzuweisen.
  • Abyssales Etat-Potential (AEP): Es gibt Uhren, die man mit horrenden Gewinnen selbst im tiefsten Dschungel noch im Handumdrehen zu Geld machen können soll. Und dann gibt es Uhren, die mit der Kreditkarten-Autorisierung jegliche Budgetplanung in tiefste Abgründe versenken. Das AEP trägt diesem Umstand Rechnung und zeigt ganz nebenher schon heute treffsicher auf, wie sich der Sammlermarkt in 20 bis 30 Jahren präsentieren wird.
  • Desktop-Diver-Performance (DDP): Quasi der Ernstfall für jeden professionellen Zeitmesser und damit auch der ultimative Praxistest: 8 Stunden am Arbeitsplatz, abwechselnd im Sitzen oder Stehen, 2 Meetings und 1 Business-Lunch eingeschlossen. Schon jetzt ist klar: nicht jede Testkandidatin wird diesen Parcours ohne Schaden überstehen!
  • Duschgel-Resistenz (DR): Ausschliesslich für fabrikneue Uhren gedacht, zeigt die DR auf, ob Duschkopf und/oder Seife Einfluss auf Ablesbarkeit und Funktion der Uhr haben können.  Damit nicht genug: 1 Stunde danach wird zusätzlich geprüft, ob sich noch Wasser und Seifenreste zwischen Lünette und Gehäuse befinden, die Einfluss auf die DDP haben könnten.

Ein neues Zeitalter für transparente Bewertung

Seiko_SBDC027_50th_Comparison_Sumo_2015

Die erste Uhr, die gemäss diesem neuen Prüfungsverfahren bewertet wurde, ist die limitierte 50-Jahre-Jubiläumsedition der „Sumo“ von Seiko, die SBDC027. Das Modell wurde zum Jahresbeginn 2015 lanciert und unterscheidet sich von der unlimitierten Schwester SBDC001 primär durch eine etwas klassischer gestaltete Zifferblatt-/Zeiger-Kombination sowie durch die passende Drehringeinlage und das verwendete Saphirglas.

Als Resultat lässt sich nun folgendes eindeutige Bild zeichnen:

  • Submarinersche Mimikry-Faktor (SMF): Die fehlende Lupe sowie die nach 4 Uhr versetzte Krone lassen die SBDC027 in dieser Kategorie 2 Punkte für Eigenständigkeit holen. Für mehr hat’s nicht gereicht, da auch hier drei Zeiger, ein Datum und ein Drehring zu finden sind.
  • Style Faux Pas Potential (SFPP): Mit mindestens 44 mm Durchmesser natürlich viel zu gross für den eleganten Auftritt, dafür dank der leicht versenkten Lünette etwas flacher als andere Uhren dieser Kategorie – 1 weiterer Punkt für die SBDC027.
  • Inheritance of Attractiveness Index (IAI): Die Zeiger sollen an das Ur-Modell von 1965 erinnern, der Rest ist hingegen eher der jüngeren Vergangenheit geschuldet. Deshalb ebenfalls 1 Punkt.
  • Small-Talk Gravitationskraft (STG): Das Understatement der Marke, die Leistungsdaten und der Preis sorgen hier selbstverständlich für ein Minus von 4 Punkten.
  • Marianengraben-Skala (MS): Die SBDC027 bietet 200 enttäuschende Meter Wasserdichtheit und kommt damit nur auf 1 weiteren Punkt.
  • Abyssales Etat-Potential (AEP): Die Limitierung von 2‘000 Stück ist vergleichsweise hoch, der Preis dafür ganz knapp verschmerzbar, und Inhouse-Fertigkeiten des Herstellers sind bekanntlich sowieso überbewertet. Wertsteigerung dadurch eher fraglich, insgesamt aber nur 1 Punkt Abzug.
  • Desktop-Diver-Potential (DDP): Die ersten Phasen bewältigte die Uhr eigentlich recht passabel, kleinere Leistungseinbrüche gab es aufgrund der Schliesse bei der täglichen Bewältigung von Korrespondenz und dem Griff nach der Kaffeetasse. Im Workshop lenkte die butterweiche und vor allem überdurchschnittlich leise 120er-Rastung des Drehrings kaum vom Thema ab und konnte so problemlos unter dem Tisch bedient werden. Resultat: 1 Punkt.
  • Duschgel-Resistenz (DR): Leicht eingeschränkte Ablesbarkeit zwischen Einseifen und Conditioner, zusätzlich etwas Seifenreste unter dem Rand. Damit 1 Punkt Abzug.

Zusammenfassung: die eingangs angekündigte Revolution* ist eingetreten: Seikos SBDC027 erhält 0 Punkte, und damit liegt eine neutrale Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen Kauf vor, die Ihnen als Käufer eine bislang unbekannte Dimension der Orientierungshilfe ermöglichen sollte. Das neue Prüfungsverfahren hätte indes eindeutig das Maximum von 35 Punkten verdient. Und das natürlich ganz ohne Ironie…

Wer nun überraschenderweise dennoch etwas Mühe mit dem neuen Testverfahren hat: ausnahmsweise gibt’s hier während der Transitionsphase und über den heutigen 1. April hinaus noch eine traditionelle Review der Uhr.

 

*Stephen Colbert hat’s in seiner Abschiedsshow ja diesbezüglich schon perfekt auf den Punkt gebracht: „…technically, one revolution is 360 degrees right back to where we were.“

**Das AEP kann in Sonderfällen von dieser Aussage ausgenommen sein.

3 Kommentare

  1. Ich bin mit dem Bewertungssystem nicht einverstanden: aufgrund des Referenzsystems hätte die Punktevergabe in Kronen erfolgen müssen – das hätte dem Artikel die Krone aufgesetzt ;)
    Well done! Und den Nagel auf den Kopf getroffen

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