Uhren-Regel Nummer 1: Urteile nie vorschnell über eine Uhr, solange Du sie nicht selbst in Händen gehalten hast. – Auch wenn ich selbst ja nie an der Richtigkeit dieser Regel gezweifelt habe, selten zuvor bin ich so an deren Berechtigung erinnert worden, wie im Falle der im Dezember vorgestellten dritten Generation der Sea Hawk (siehe Beitrag hier) von Girard-Perregaux: Manchmal liegen (unerwarteterweise) Welten zwischen dem (daran soll’s nicht gelegen haben, in diesem Fall hervorragenden) Pressebild und dem ersten Treffen in Real Life.
Vergangene Woche hatte ich Gelegenheit, die ersten Stücke der neuen Hawk-Kollektion nach Rückkehr ihrer Promotour direkt bei einem Besuch bei Girard-Perregaux in La-Chaux-de-Fonds zu sehen, mit entsprechendem Fokus auf die beiden hauptsächlichen Taucherversionen, der 499060-19-631-FK6A mit schwarzem Blatt und der 49960-11-131-FK6A mit silberfarbenem Blatt (ausgenommen die auf lediglich 10 Stück limitierte Ref. 49960-19-1218SGD1A “FOReverglades”, die erwartungsgemäss nicht verfügbar war).
Um es ganz kurz zu machen: Während das offizielle Bildmaterial das Wesen der Uhr wirklich sehr gut fasst, das tatsächliche Gewicht und die haptischen Qualitäten der Uhr kann es halt nur ansatzweise spiegeln. In Kombination mit der in der Tat beeindruckenden Tiefe des Zifferblattes, der Komplexität des Gehäuses und der durchgehend hohen, in diesem Bereich eher selten anzutreffenden Präzision und Finesse der Haute Horlogerie, kann zumindest ich von einer wirklich überraschenden Begegnung mit dieser Uhrenneuheit berichten. – Die sich dafür fast unmöglich ausserhalb einer Studio-ähnlichen Umgebung auf die Schnelle fotografieren lässt… aber was soll’s, ein paar Eindrücke sind im Kasten, der Trockentauchgang hat eine nachhaltige Wirkung hinterlassen und dürfte im Zuge der nächsten Monate endlich zum längst fälligen Grundstein eines neuen Artikels rund um die wasserdichten Uhren von GP werden.
Damit wieder zurück in die Gegenwart: Ich bin mit meiner persönlichen Meinung und der Sicht eines Amateurtauchers nach wie vor nicht der grösste Befürworter der neuen Kantigkeit (inkl. Bandanstoss und fehlende Verlängerung), verstehe aber als Uhrenprofi völlig das Bedürfnis nach einer stärkeren visuellen DNA und Erkennbarkeit, gepaart mit einem sicht- und auch spürbaren Bekenntnis zu mehr Sportlichkeit. – Diesen Job erledigt die vermutlich attraktivste Gangreserve für die Tiefsee mit Bravour.
Es würde mich deshalb schon schwer überraschen, wenn die neue Sea Hawk nicht zu einem bedeutend grösseren kommerziellen Höhenflug ansetzen täte als deren (für mich nach wie ungemein attraktiven) Vorgängerinnen – die Sea Hawk ist ein unübersehbares Statement. Apropos überraschen: Nicht erwartet hätte ich, dass ich mit der silberfarbenen Zifferblattvariante fast mehr zu liebäugeln begonnen habe, als mit der schwarzen, klassischen Version…
Ebenfalls überraschend war der kurze Rundgang durch die Manufaktur (ein paar Eindrücke davon gibt’s hier): Während man auf den ersten Blick relativ schnell ein ähnliches Bild bei Besuchen von Uhrenherstellern vorfindet, kann man bei genauerer Betrachtung halt dennoch feine aber unglaublich differenzierende Eigenheiten ausmachen. Im Falle von Girard-Perregaux war dies für mich ein so bislang nicht angetroffener Stolz und Freude an der eigenen Arbeit; jeder Mitarbeiter von Girard-Perregaux hat sofort und mit spürbarer Passion erklärt, was er gerade tut und den Besucher an seiner Arbeit überraschend offen teilhaben lassen. In dieser Form bislang ein einmaliger Spirit, und das trotz vorgeschrittener Stunde an einem Freitag-Nachmittag. ;-)
Für den Moment gilt deshalb: Vielen herzlichen Dank an die Adresse von Girard-Perregaux für die Gastfreundschaft, die einmaligen Einblicke und vor allem für die erste Begegnung mit einer durch und durch charakterstarken Taucheruhr.