Crepas Cayman 3000

Same same but different

Im Herbst 2012 kündigte die Uhrenmarke Jenny offiziell an, eine limitierte Neuauflage der Caribbean zum 50. Geburtstag der wegweisenden Taucheruhr zu lancieren. Das ebenso pikante wie unerwartete Detail an der Geschichte: Nur wenige Tage davor hatte die junge spanische Marke Crepas ein ähnliches Projekt angekündigt: eine limitierte Homage unter dem Namen Cayman. – So ähnlich das Vorhaben beider Marken auch war, das Resultat hätte nicht unterschiedlicher ausfallen können.

Die bis 3000 Meter wasserdichte Cayman orientiert sich optisch und namentlich an der ebenfalls in der Karibik angesiedelten Uhr der Schweizer Uhrenmarke Jenny.

Wer hat’s erfunden?

Schon vor 50 Jahren machte es die Caribbean von Jenny im grossen Stil möglich, dass selbst kleinste Uhrenmarken und -händler eine ausgereifte Extrem-Taucheruhr anbieten konnten, ohne zuvor substantiell in deren Entwicklung und Fertigung investieren zu müssen. Dazu wurde ganz einfach der Aufdruck des Herstellernamens durch den entsprechenden Auftraggeber ausgewechselt, und fertig war das von Haus aus marktreife Produkt. – Wohlgemerkt ein völlig normaler Prozess, der es zahlreichen Herstellern und Marken bis zum heutigen Tag ermöglicht hat, mit schlanker Infrastruktur entweder ein günstiges Produkt anzubieten, oder ganz einfach den eigenen Profit zu maximieren.

Und diese auf den ersten Blick bestechende Idee ist selbstverständlich nicht alleine der eher verschwiegenen Uhrenbranche vorbehalten, sondern gehört von Schuhen bis zum Kugelschreiber fast schon zum Normalfall der Produkt- und Konsumwelt. Neu daran ist aber einerseits, dass das Web gerade im letzten Jahrzehnt eine nie gekannte Transparenz für den Endverbraucher geschaffen hat, der dadurch identische Produkte unabhängig ihrer regionalen Verbreitung sehr schnell als solche entlarven kann, und dass sich andrerseits die Anbieter von solchen Private Label Produkten auch nicht mehr zwingend in der Schweiz respektive Europa befinden resp. auf den Zusatz „Swiss Made“ verzichten müssen.

Und dem aktuellen Buzzword „Crowdfunding“ sei‘s gedankt, der aufgeklärte Endkonsument ist heute sogar bereit, mit einer Anzahlung auf den Gesamtpreis gleich die gesamte Produktion eines Uhrenmodells zu ermöglichen, solange er nur genügend stark in den Entstehungsprozess eingebunden wird. – Ein Phänomen, das vermutlich mit der Dreadnought von Timefactors im Jahr 2002 fast schon mustergültig seinen publikumswirksamen Anfang im Social Web genommen hat und sich interessanterweise bis zum heutigen Tag praktisch ausschliesslich bei Militär- und/oder Taucheruhren wiederholt, von denen es zwischenzeitlich mindestens so unzählige Projekte und Marken gibt, wie es in den Sechzigern und Siebzigern Varianten von den Uhren mit dem patentierten Compressor- resp. Super-Compressor-Gehäusen gab, oder mit anderem Logo versehene Uhren von Jenny (Caribbean), Von Büren (Squale) oder Lemania (Aquastar). Somit müsste es sich eigentlich lediglich um eine Frage der Zeit handeln, bis die erste durch eine wohlhabende Community finanzierte Repetition oder Grande Complication eines wagemutigen Uhrmachers auf den Markt kommt… aber das ist ein anderes Thema, und bis es soweit ist, zurück zum eigentlich Kern dieses Artikels und der nicht ganz einfachen Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Moral:

Der Blick zurück

In diesem Umfeld trat mit der „Compañía Relojera Especializada Para Actividades Subacuáticas S.L“ (CREPAS Watches) im Sommer 2010 relativ spät ein weiterer Kleinstanbieter mit einer neuen Uhr auf die Bühne. – Im Vergleich zu manch anderem „Micro Brew“ dieser Zeit wurde bei der spanischen Marke aus Torremolinos aber der Designprozess wenig demokratisch gehalten, vor allem auch, weil der Anbieter schon vom ersten Moment an eine relativ einfache Philosophie verfolgte: Taucheruhrenklassiker vergangener Zeiten sollten – zeitgemäss produziert – in kleinen Stückzahlen wieder neu aufgelegt werden, was im Lancierungsjahr mit einer „Homage“ an die Omega Seamaster 1000 (Le Grand) begann und nach einer Interpretation der Certina Super PH 500 (Tektite) nun ausgerechnet im 2012 mit der Neuauflage der Ref. 702 der Caribbean von Jenny als „Cayman“ einen weiteren Ausdruck fand – genau jener Taucheruhr also, die vor 50 Jahren massgeblich das Prinzip der Private Label Produktion für kleine Marken mitbeeinflusst hatte.

Was auf der einen Seite zugegebenermassen etwas ironisch klingt, ist auf der anderen Seite aber ebenso problematisch: Die Grenze zwischen wohlmeinender „Homage“ und profitorientierter „Kopie“ ist von Natur aus schon sehr eng; und in Zeiten der regelmässigen Vintage- resp. Re-Editionen der ursprünglichen Hersteller kommt es so unweigerlich immer wieder zu Konflikten. So geschehen bei der Ploprof-Homage von Ocean 7 kurz vor dem Relaunch der Seamaster Ploprof 1200, und so geschehen im Fall eben der hier näher beschriebenen Cayman, die praktisch zum selben Zeitpunkt vorgestellt wurde, als Jenny sowohl die eigene Marke als auch die Caribbean zum 50jährigen Bestehen neu lancierte (wobei Jenny bei der Kommunikation vielleicht etwas überrumpelt wurde, aber dafür die Uhr noch Ende 2012 ausliefern konnte, während die Cayman nach der Finanzierung mittels Anzahlung erst noch produziert werden musste und somit erst Mitte März 2013 verschickt werden konnte).

Punkto Musterschutz ist die Sachlage in praktisch allen Fällen ebenso klar wie problemlos und müsste eigentlich erst gar nicht weiter erwähnt werden; es bleibt also einzig der moralische Aspekt. Und hier muss wohl jeder Käufer für sich selbst entscheiden, wie hoch er jeweils die im eigentliche Sinne des Wortes „Originalität“ eines Designs oder die Legitimität einer Marke einstufen möchte, und welchen Stellenwert die Tiefe der Wertschöpfungskette des Anbieters beim Kaufentscheid einnimmt.

Das Dilemma: Karibik oder Kayman-Inseln

Während Jenny mit der Caribbean 300 Re-Edition als unbestritten legitimer Absender nun selbst eine Interpretation realisierte, die vor allem die tatsächlich charakteristische Farbenvielfalt und die exklusive Drehringvariante des Originals ins Zentrum setzte, hielt man sich bei Crepas an die klassische Lünette mit schwarzem Zifferblatt. Und während Jenny angesichts der schieren Unmöglichkeit erst gar nicht versuchte, der vermutlich ersten bis 1000 Meter wasserdichten Uhr 50 Jahre später erneut einen Tiefenrekord aufzuhalsen, gab Crepas der Cayman statt 300 Meter stattliche 3000 Meter Wasserdichtheit mit auf den Weg, um sie wie gewohnt im vierstelligen Tiefenbereich, und im Jahr 2013 wenigstens im vorderen Drittel der Extrem-Taucheruhren mitspielen zu lassen.

Das stark gewölbte Glas und die typisch gespreizten Bandanstösse findet man ebenfalls nur bei der Cayman von Crepas, während die Caribbean von Jenny eine modernere, plane und entsprechend flachere Bauweise bietet – selbstverständlich bei beiden Uhren mit Saphirglas auf Zifferblatt und Drehring.

Überraschenderweise (und vermutlich aus Rücksicht auf den sehr ähnlich angepeilten Verkaufspreis) gibt’s dafür die eigentlich absolut essentielle Ausführung mit dem (im Fall der Caribbean patentierten) Monocoque-Gehäuse bei beiden nicht. Limitiert resp. nummeriert sind dafür beide, wobei bei Crepas einmal 299 Stück und bei Jenny fünf Farbvarianten mit je 500 Stück umgesetzt wurden.

Wer also ist näher am Original dran? – So paradox es auch klingen mag (und es schaffen beide Uhren nicht, in allen wesentlichen Aspekten auf die volle Punktezahl zu kommen): wäre da nicht vor allem die „falsche“ Marke und der Mangel eines Einschalengehäuses, man könnte fast man geneigt sein, der spanischen Kopie, pardon Homage, ein klitzekleines Stückchen mehr Nähe zu den 60er-Jahren und damit zu den wesentlichen Charaktermerkmalen zu attestieren, als der legitimen, etwas freieren Neuauflage aus der Schweiz. Für eine grosse Zahl der kommentierenden Teilnehmer in Internetforen punktete die flachere und mit 42 mm moderate Ausführung von Jenny vor allem dank ihrer Farben und der einzigartigen Lünette als optisch erfrischende Alternative mit Stammbaum, während die mindestens 43 mm grosse und fast 17 mm dicke Cayman wieder andere Interessenten mit ihrem massivem Auftritt und dem klassischen Look zu begeistern, oder halt eben zu vertreiben vermochte.

Insofern wird also auch in dieser Frage jeder Käufer selbst entscheiden müssen, wie er einen potentiellen Gewissenskonflikt mit sich selbst austrägt. Und Hand aufs Herz: es gibt vermutlich bedeutend schlafraubendere Entscheidungen im Leben eines Konsumenten, der sich gerade mit der Anschaffung eines Luxusgutes beschäftigt, als die Frage nach der Legitimität einer Uhrenneuauflage. Deshalb:

All inclusive

Unabhängig davon, der Lieferumfang resp. Leistungsausweis der Cayman ist objektiv betrachtet beachtlich: Da wäre einmal die angesichts des Preises tadellose aber wenig raffinierte Verarbeitung einer mechanischen Uhr mit einem ETA 2824-2, die bis (was nach wie vor beachtlich ist) 3000 Meter wasserdicht bleibt und gleich an drei Stellen (Glas, Lünette und Boden – letztgenannter aber massiv ohne Öffnung ausgeführt) mit Saphirglas bestückt ist.

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Der Boden ist mit einem Medaillon aus Saphir bestückt, die Schiffschraube ist mit Leuchtmasse unterlegt

Dann gibt’s ein bei 9 Uhr ins Gehäuse integriertes Heliumventil (das grundsätzlich immer noch unnötig ist, aber für eine Mehrheit der Hersteller und Käufer als State-of-the-Art zu gelten scheint). Ein massives, 22 mm breites Stahlband in klassischer Reiskorn-Optik, das aufgrund des besonderen Bandanstosses nicht ganz so einfach von der Stange besorgt werden konnte, ist auch dabei. Zum Glück mit zwei unterschiedlichen Schliessen, denn die Option mit der vormontierten Doppelfaltschliesse kommt für umfangreichere Handgelenke vielleicht etwas knapp bemessen daher; spätestens hier wäre dann die Faltschliesse mit Tauchverlängerung zu präferieren und lässt sich dank verschraubten Gliedern einfach wechseln. Insgesamt ist das Band ebenso attraktiv wie überzeugend und trägt sich sehr angenehm, da es zudem der nicht ganz federleichten Uhr auch zu mehr Balance verhilft.

Ausgeglichen ist auch der Rest: Viton-Dichtungen, aufgesetzte Indexe und polierte Zeiger mit blauer Superluminova-Beschichtung (auch auf dem Drehring und als tatsächlich besonderer aber funktional völlig nutzloser Touch sogar auf dem Gehäuseboden) runden das Paket ab. Der getreu dem Original leicht überstehende Drehring selbst rastet satt in 120 Schritten, der Boden und die Krone sind standesgemäss verschraubt. Das Zifferblatt ist – wen wundert’s bei rund 44 mm Gesamtdurchmesser – entsprechend üppig dimensioniert und erfreulich aufgeräumt, das fehlende Datumsfenster trägt seinen Teil dazu bei, dass man vielleicht noch etwas häufiger nachguckt, wie spät es in den letzten 10 Sekunden geworden ist. Kurz gesagt: eine Begegnung mit der Cayman in freier Wildbahn kann man eigentlich nur mit entsprechend positivem Fazit beschreiben. Und wer sich nachher über die Grösse beklagt, hätte in der Tat das Kleingedruckte besser lesen sollen.

Verpackt ist das Ganze in einer eleganten, lackierten Holzbox, die Platz für allerlei Zubehör bietet, darunter ein schwarzes Nylon-Ersatzband (im eigenem Fach) und zwei Schraubenzieher. Im Prinzip hätte hier höchstens noch ein Federsteg-Besteck das Ganze komplettieren können, aber dafür gibt’s mehrere Ersatzfederstege zum Trost.

Mit 299 einzeln nummerierten Exemplaren darf man zudem, ohne rot zu werden, von einer wirklichen Limitierung sprechen und bei einem Preis von 760 Euro für eine bis 3000 Meter wasserdichte Uhr von einem fairen Deal. Oder?

Nun ja: Der Preis basiert wie bei Jenny auf dem Prinzip Online-Direktvertrieb, somit gehen die Einnahmen an den schlank agierenden Anbieter. Spanien hat zudem noch 21% Mehrwertsteuer parat, was den kommunizierten Endpreis von 760 Euro für den einen oder anderen Käufer nochmals spürbar nach oben drückt, plus potentielle Zollkosten bei der Einfuhr bedeutet. Und wer die Einführungsphase verpasst haben sollte, für den gelten 990 Euro. Immer noch ohne MwSt.

Ein weiterer Aspekt: Inwieweit Crepas in der Lage sein wird, auch in Zukunft Ersatzteile für die Uhr zu liefern, hängt nicht zuletzt auch vom gewählten Produzenten und der angeschafften Menge an Ersatzkomponenten resp. Ersatzuhren ohne Nummerierung ab. Es darf davon ausgegangen werden, dass sich der eigentliche Produzent mit aller grösster Wahrscheinlichkeit nicht in den Räumlichkeiten von Crepas befindet und, ohne Investigativ-Journalismus zu betreiben, vermutlich auch nicht in Europa. Und dass man bei der Entwicklung des Designs nicht gerade die grössten unternehmerischen Risiken eingegangen ist, hatten wir ja schon weiter oben eingehend besprochen.

Insofern ja, der Preis bleibt enorm attraktiv und vermutlich bleibt der Wiederverkaufswert der Cayman solange überdurchschnittlich stabil, solange es Crepas gibt. Nichtsdestotrotz bleibt es dennoch eine ansehnliche Summe, die man in eine „Homage“ investiert – und somit wird wohl erst die persönliche Einstellung gegenüber der eigenen Definition dieses Begriffs eine Antwort liefern, ob die Uhr nun sensationell günstig, oder aber völlig überteuert ist.

Ein durchwegs uneindeutiges und damit auch unbefriedigendes Fazit

Kaum ein Wort trifft den Kern der Sache wohl besser als „Dilemma“. – Eigentlich darf man eine solche Uhr nicht ohne schlechtes Gewissen gut finden. Eigentlich. Dummerweise sieht die Cayman aber verdammt gut dabei aus und hat eine entsprechende Wirkung am Handgelenk.

Damit nicht genug: Der Lieferumfang und die Detailliebe bei der Uhr zeugen von einer wirklichen Hingabe des Anbieters für sein Produkt, während die Wahl eines bestehenden Designs wieder eher einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Und vor allem die Existenz einer legitimen Re-Edition der Jenny Caribbean hilft nicht unbedingt bei der Entscheidung, da auch diese Interpretation – je nach Präferenz des Käufers – dem historischen Original nicht in allen Punkten gerecht zu werden vermag.

Deshalb: Wer sich zwischen diesen beiden Uhr entscheiden muss, aber nicht kann – der vermutlich vernünftigste und gleichzeitig auch sachlichste Entscheid bei der ohnehin unvernünftigen Entscheidung Cayman versus Caribbean wäre wohl ganz einfach der: nämlich sofort die Suche nach einer ungetragenen Referenz 702 aus den Sechzigern zu starten. Echter ginge in jedem Fall nicht.

Technische Daten

Modell: Crepas Watches Cayman 3000
Grösse: 43 mm Durchmesser / 16.9 mm Bauhöhe
Gehäuse: Edelstahl 316L, Gehäuseboden verschraubt mit Saphirglasauflage, integriertes Heliumventil bei 9 Uhr
Wasserdichtheit: 3000 Meter, getestet bis 4000 Meter
Glas: innenseitig entspiegeltes, gewölbtes Saphirglas (bis zu 4.6mm dick)
Zifferblatt: Aufgesetzte Indexe bei 3, 6, 9 und 12 Uhr, der Rest ist aufgedruckt, kein Datumsfenster
Werk: ETA 2824-2
Krone: verschraubt, 7.5 mm Durchmesser
Drehring: 120er Rastung, Edelstahl mit Saphirglaseinlage; Markierungen nachleuchtend
Band: 22 mm breites Stahlband, Nylon-Option im Lieferumfang enthalten
Limitierung: 299 Stück
Preis: Euro 760.00 (2012) / Euro 990.00 (2013) ohne MwSt
Garantie: 2 Jahre
Einführung/Auslieferung: 2013

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2013 veröffentlicht.

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