Als IWC im Jahr 2014 eine weitere, generalüberholte Umsetzung der Aquatimer-Kollektion der Öffentlichkeit vorstellte, wurde schnell klar, dass man damit gleich mehrere Elemente der vorhergehenden Generationen unter eine Neopren-Haube gebracht hatte: zum Beispiel den innenliegenden Drehring von 2004, Gestaltungselemente der Vintage-Kollektion von 2008 oder die Formgebung der Lünette aus 2009. Dank Einführung des SafeDive-Systems, so schien es zumindest damals, sollte der Taucheruhr aus Schaffhausen endlich der grosse Durchbruch gelingen. 2020, also rechnerisch gesehen schon ein Jahr über einem erneuten Re-Launch-Termin hinaus, sah das Ganze etwas weniger euphorisch aus, die Aquatimer sieht man auch weiterhin eher selten in freier Wildbahn. Die Linie an sich, und vor allem das preisgünstigste Modell im Speziellen, hätte aber bedeutend mehr Aufmerksamkeit verdient:

Innovative Lünetten seit den 80ern
Die IWC Porsche Design Ocean 2000 läutete in Schaffhausen in den 80er-Jahren ein neues Zeitalter ein, wenn es um Innovationen unter der Wasseroberfläche geht: eine Taucheruhr ganz aus Titan, mit der damaligen Rekord-Wasserdichtheit von 2’000 Metern und einer Lünette, die man nur mit gleichzeitigem Herunterdrücken bewegen konnte. Die GST Aquatimer übernahm diese Attribute, stand aber zugegebenermassen etwas im Schatten der Deep One mit mechanischem Tiefenmesser. 2004 setzte man auf eine innovative innenliegende Lünette, ebenfalls mit einem Gehäuse, das bis zu 2’000 Meter Tiefe dicht blieb. 2009 war Lünetten-technisch dann etwas weniger spektakulär, auch wenn damals Saphirglas-Einlagen noch sehr selten zu finden waren (die erst dank Blancpains Fifty Fathoms salonfähig geworden waren). Die eigentlich Revolution folgte 2014: eine innenliegende Tauchskala, die über einen äusseren Drehring einseitig eingestellt werden konnte. Dazu der Hersteller: „Der Aussen-Innen-Drehring mit IWC-SafeDive-System kombiniert Bedienkomfort und Sicherheit. Die Bewegung der Aussenlünette wird über ein Kupplungssystem auf den innen liegenden Drehring mit Markierungsdreieck und Tauchzeitskala übertragen.“

Dabei geht etwas unter, dass die Tauchskala dank dieser Konstruktion gut geschützt vor Wasser und Schlägen unter dem Saphirglas liegt. Und auch, dass die gesamte Konstruktion recht kompliziert ist, Platz brauch und dadurch zu einer Ausbuchtung bei 9 Uhr führt (die oftmals mit einem Heliumventil verwechselt wird) und die Uhr insgesamt etwas höher werden liess. Unter dem Strich hat IWC es mit der SafeDive-Konstruktion aber tatsächlich geschafft, das Thema Tauchlünette neu zu interpretieren, ohne dabei die Praktikabilität (oder den Spieltrieb) zu mindern.
Die Sache mit der Positionierung
An Ambitionen mangelte es bei der Aquatimer von 2014 definitiv nicht: sie sollte noch wasserdichter werden (neu bis zu 4’000 Meter), sie sollte endlich mit dem eigenen Inhouse-Werk kommen, ein neues Bandwechselsystem und die SafeDive-Lünette haben. Und sie sollte es preislich mit Submariner und Fifty Fathoms aufnehmen. Das Problem daran: das damals zur Verfügung stehende Inhouse-Kaliber 80110 erforderte mehr Platz als das 37524 (ETA 2892-A2) der Vorgänger-Modelle, die neue Lünetten-Konstruktion ebenfalls, und eine doppelt so hohe Wasserdichtheit hätte die Uhr auf Dimensionen gebracht, für die nur wenige Menschen das passende Handgelenk mitbringen. Resultat: IWC entschied sich mit der IWC Aquatimer 2000 (Ref. IW358002) für ein 46 mm grosses Spitzenmodell mit Inhouse-Werk, und für eine bis 300 Meter wasserdichte, 42 mm grosse Basisversion mit ETA-Werk für alle anderen.

Das Problem an dieser Strategie: Es ist wie beim Autoquartett – Einstiegsmodelle haben gegen Spitzenmodelle per se einen Nachteil, und mit einem Listenpreis von CHF 5’800.00 im Lancierungsjahr (dann auf CHF 5’500.00 angepasst), ist die bis 300 Meter wasserdichte Taucheruhr für ein Basismodell (erst mit ETA-Werk, ab 2022 mit Inhouse-Kaliber) halt doch ziemlich teuer ausgefallen. Zum Vergleich: in dieser Kategorie gab’s zum Zeitpunkt dieses Artikels bei der Rolex-Tochtermarke Tudor mit der Pelagos (Ref. M25600TN-0001) bereits 500 Meter Wasserdichtheit, Titan für Gehäuse und Band, ein Inhouse-Werk und dazu noch stattliche CHF 1’150.00 Wechselgeld. In diesem Spannungsfeld hat es die IWC also von Haus aus schwer, Käufer zu finden. – Nicht, weil es ihr an Qualitäten fehlen täte, sondern weil es ganz einfach zu viele Optionen gibt.
Zwar ist die Aquatimer 2000 seit 2018 nicht mehr in der Kollektion, aber es gibt dafür neue (Stief-)Schwestermodelle, beispielsweise die 44 mm grosse IW341002 mit Inhouse-Werk, oder die 42 mm grosse (und CHF 2’400.00 teurere) IW329101 mit 2’000 Meter Wasserdichtheit, Titangehäuse und dem selben ETA-Werk. Definitiv bereinigt wurde das Ganze dann im Jahr 2022: dann begann IWC nämlich auch bei der Aquatimer Automatic auf das von der Konzern-Schwester Manufacture Horlogère ValFleurier entwickelte Automatik-Kaliber mit 120 Stunden Gangreserve zurückzugreifen, mit leichten Anpassungen bei Preis, Schrift und Referenz-Nummern.

Der ewige Underdog
Wie schon bei den Vorgänger-Modellen lässt die Aquatimer des Jahrgangs 2014 eigentlich wenig Kritik zu. Vor allem die etwas konventionellere Einstiegsversion (ohne Kautschuk-beschichtete Gehäuseteile) schafft es dabei gut, den Bogen zwischen modernem Design und klassischen Elementen zu spannen. Dass es ihr aufgrund der ungewöhnlich häufigen Redesigns der letzten 20 Jahre etwas an Konsistenz in der Historie fehlt, und dass die innenliegende Lünette von den typischen äusseren Merkmalen einer Taucheruhr leicht abweicht, sollte man wertneutral betrachten. Einzig das zwar praktische, aber schlussendlich proprietäre Bandsystem (erhöhte Abhängigkeit vom Hersteller, eingeschränkte Auswahl), die ungewöhnliche, symmetrische Optik aufgrund der abstehenden Kupplung bei 9 Uhr und der eingangs erwähnte, vergleichsweise hohe Preis trüben das positive Bild etwas.
Aus Sicht des langfristig orientierten Käufers ist die baugleiche IW329002 mit Stahlband sicher eine Überlegung wert. Selbiges führt aber zeitgleich zu einem Aufpreis von CHF 900.00 1’000.00, und die Optik des Modells ändert sich dramatisch: Am Kautschukband kommt die Uhr insgesamt besser zur Geltung, während das gewohnt hervorragend konstruierte, bequeme Metallband eine optische Einheit mit dem Gehäuse bildet, die Uhr also etwas verschluckt. Bei der IW329005 (Edition „Expedition Jacques-Yves Cousteau“) mit blauem Zifferblatt wäre dafür die Wahl der weissen Datumsscheibe zu hinterfragen, besonders angesichts der hier verbauten, farblich angepassten schwarzen Datumsscheibe.
Zusammengefasst: Je länger man sich mit der Aquatimer Automatic des Jahrgangs 2014 befasst, umso grösser wird das Bedauern, dass sich dieses Modell nach all den Jahren nicht an mehr Handgelenken finden lässt. Andrerseits ist genau das schon immer auch ein Vorteil der Taucheruhren aus Schaffhausen gewesen: man sieht sie zum Glück nicht an jedem x-beliebigen Arm.
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Technische Daten
| Modell: | Aquatimer Automatic |
| Referenz-Nr.: | IW329001 (ab 2022 Ref. IW328802) |
| Lancierung: | 2014 |
| Gehäuse: | Edelstahlgehäuse mit verschraubter Krone (3 Uhr) und Boden, 300 Meter Wasserdichtheit, äusserer Drehring zur Bedienung der innenliegenden Skala, entspiegeltes Saphirglas |
| Werk: | erst IWC Kal. 30120 (ETA 2892-A2) mit rund 42 Stunden Gangreserve, ab 2022 IWC Kal. 32111 mit 120 Stunden Gangreserve |
| Abmessungen: | ∅ 42,0 mm, Bauhöhe 14,1 mm |
| Band: | Kautschuk mit Schnellwechselsystem, Dornschliesse |
| Varianten: | Schwarzes Zifferblatt mit Stahlband (Ref. IW329002, CHF |
| Preis: |
Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2020 veröffentlicht. Mehr über die Geschichte der Aquatimer gibt’s hier.

