Squale Orologi

Haifisch im Trüben – Tiger und Professional 500

Unter der Bezeichnung Squalea werden Rochen und einige mehrheitlich nahe am Meeresboden lebende Hai-Arten zusammengefasst; insofern passt es ganz gut, dass Uhren der Marke Squale den Hai zum zentralen Thema erkoren haben. Es passt aber ebenfalls ganz gut, dass beide Gattungen – Uhr und Hai – schon bessere Zeiten erlebt haben. Bei den Uhren waren das definitiv die 60er, 70er und frühen 80er, was heutigen Sammlern einerseits ein paar durchaus ansprechende Modelle aus der Kategorie Alteisen beschert hat, andrerseits aber auch genügend Anreiz für eine längst fällige (weitere) Übung in Vergangenheitsbewältigung auf dieser Website bietet.

Schwarmfische aus Italien: Tiger und 500 von Squale

Wer hat’s erfunden?

Während sich mancherorts hartnäckig die Theorie hält, Squale stehe mit dem gleichnamigen französischen Tauch-Equipment-Hersteller in Verbindung (Paul Dubois lancierte mit der Squale Lux im Jahr 1936 eine der ersten Taucherbrillen), kann die French Connection angesichts einer in Mailand ansässigen Firma namens „Squale s.r.l. Orologi Professionali Subacquei“ wohl eher als thematischer und geographischer Irrtum eingestuft werden.

Nichtsdestotrotz macht die Verlagerung nach Italien die ganze Sache auch nicht unbedingt klarer: Die Jahreszahl 1946 auf der Verpackung einzelner Squale-Uhren wird sich wohl auf das (überraschend frühe) Gründungsjahr des Unternehmens beziehen, und die oftmals angetroffene Aussage, man führe das Unternehmen in dritter Generation, dürfte unter diesem Aspekt auch nicht ganz falsch klingen. Auch, dass ein entsprechender italienischer Handelsregistereintrag aus dem Jahr 1984 den „Handel mit Uhren“ als hauptsächliches Geschäftsfeld nennt, scheint perfekt ins (verschwommene) Bild zu passen. Aber: Die Uhren von Squale mussten, sofern sich der Firmensitz vor 1984 nicht doch mal noch in der Schweiz befunden hatte, irgendwann Schweizer Festland betreten haben, um sich den Zusatz „Swiss Made“ zu verdienen. Und da „der Handel mit Uhren“ einer italienischen Firma die Produktion derselben ausschliesst (resp. nicht zwingend einschliesst), liegt der Schluss nahe, dass es sich bei den Modellen von Squale eher um fremd entwickelte resp. zugekaufte Produkte, denn um selbst entwickelte Uhren handelte, zumal ein paar Modelle auch unter anderen Markenbezeichnungen zu finden sind und keinerlei Patente in Zusammenhang mit Squale existieren. – Was im Prinzip weder schlecht noch unüblich ist oder war – im Gegenteil – aber verständlicherweise die Frage aufwirft, wer denn da wann, wie viel und vor allem was gemacht hat.

Klar ist, Squale hatte sich bemerkenswerterweise ganz dem Thema Taucheruhren verschrieben. Und während die zeitlich und thematisch ähnlich gelagerten Marken Jenny oder auch Aquastar trotz aller Spezialisierung auf den Tauchsport dennoch immer auch ein paar Modelle für Landgänge im Programm hatten, ist bislang keine Squale ohne Drehring aufgetaucht – dafür gar Uhren mit deren zwei, wie im Falle der Squale Supermatic mit äusserem Drehring und einem zusätzlichen inneren Drehring (bedienbar über eine zweite Krone). Ob diese radikale Spezialisierung dazu geführt hat, dass man von Squale heute und hierzulande eher wenig weiss, oder ob es der vermutete Mangel einer eigenen Produktion war, ist natürlich reine Spekulation. Fest steht, dass jeder Versuch, die Historie der Marke lückenlos zu rekonstruieren, zumindest zum Zeitpunkt dieses Artikels zum Scheitern verurteilt ist – zu gross ist das Durcheinander.

Squale selbst gibt das Gründungsjahr mit 1959 an, als die in Neuchâtel ansässige Uhrenfirma Von Büren damit startete, eigene Taucheruhren mit der Markenbezeichnung Squale zu produzieren.

Hier könnte Ihr Logo stehen

Nebst den ausschliesslich als Squale beschrifteten Uhren gab es dadurch auch noch eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle mit Co-Brandings, beispielsweise mit Altanus Genève, H. Gervin, Veriwatch, Arlon, Noblex, Potens Prima, Flica Prima, Eduard, Jean Perret Genève, Jaguar, Ocean Diver/Blandford, Deman Watch, Margi, Berios, Grintex, Eagle Star Genève, Spirotechnique, Wertex, Carlson Genève, Melpier Watch, Feiser’s, Hosam, Expo, Ausal, Sigel, Erster, Hosam, Navzer, Mafran, Jeder Mann, Jungfrau, Velester, Darris, Pierre Denill, Spider, Coursier oder Tavernier. Bei besagten Modellen ist das halbrunde Squale-Hai-Logo in der Regel in der unteren Hälfte des Zifferblatts plaziert, während der Co-Brand in der oberen Hälfte zu finden ist. Angesichts der zum Teil eher exotisch anmutenden Namen handelte es sich dabei vermutlich nicht ausschliesslich um Kooperationen innerhalb der Uhrenbranche, sondern vielmehr auch um Partnerschaften quer durch unterschiedliche Industriezweige, bspw. mit Juwelieren (wie Tavernier) oder auch Marken aus dem Tauchsport (bspw. Blandford oder Spirotechnique).

Unklar ist, ob Squale aktiv nach diesen Kooperationen gesucht hat, oder ob der Kooperationspartner in Squale den idealen Anbieter einer pfannenfertigen Uhr gefunden hatte; hingegen scheint der Anteil dieser Co-Brandings ungewöhnlich hoch, wirft man einen Blick auf die jüngere Vergangenheit des Sammlermarktes.

Bei den ausschliesslich als Squale-Modellen geführten Uhren sieht es etwas anders aus: Der halbrunde Hai-Schriftzug ist zwar ebenfalls wie gewohnt in der unteren Hälfte des Zifferblatts zu finden, ein zusätzlicher Squale-Schriftzug mit Signet nimmt aber zusätzlich den klassischen Platz in der oberen Hälfte ein. – In der Regel, denn eine Ausnahme macht hier beispielsweise schon die in den 60ern erhältliche Squale Master (wasserdicht bis 1000 Meter), die nur den Schriftzug in der oberen Hälfte aufweist.

Mit anderen Worten: eine Konsistenz bei der Behandlung des Produktes oder der Marke ist retrospektiv nur bedingt spürbar, und das leichte Chaos zieht sich – OK, das wäre dann die gerade vermisste Konsistenz – relativ hartnäckig weiter: Je nach Modell wurde innerhalb des halbrunden Hai-Logos zusätzlich noch die (vermutete) Referenz-Nummer der Uhr aufgedruckt (bspw. 2001 bei einer 1000-Meter-Version oder 2003 bei der PVD-Version der hier vorgestellten 500er etc.), oder/und eine Modellspezifizierung oberhalb angebracht, bspw. Supermatic , Super, Saphir etc. – zum Teil ergänzt um die Tiefen- resp. Druckangabe (50 Atmos, 20 Atmos, 100 Atmos etc.) des jeweiligen Modells.

Wieder andere Modelle verfügten über einen Bezeichnungszusatz unterhalb des halbrunden Logos, bspw. Professional, Automatic, Medium, Master, Rambo (eine etwas peinlich benannte Quarz-Uhr mit Kompass) oder den hier gleich noch näher vorgestellten Zusatz „Tiger“.

In den 60ern wurden vereinzelte Modelle mit einem Kategorisierungs-Zusatz in fester Kombination zum Markennamen versehen, darunter die bereits erwähnte Squale Master oder die bis 200 Meter wasserdichte Damenuhr Squale Tiny. Quarz-Modelle wurden ebenfalls mit entsprechendem Hinweis versehen. – Ein kontinuierlich im Sortiment geführtes und laufend weiter entwickeltes Modell, sprich Klassiker, liess sich bislang indes nicht finden.

Fest verankert im Tauchsport

Squales Konzentration auf den Tauchsport zeigte sich auch in der Bewerbung der Uhren. So konnte die Marke im Jahr 1967 bereits auf eine längere Liste von Testimonials rund um den internationalen Tauchsport verweisen: Als Sponsoring-Partner von Maria Treleani (dreifache Weltrekordhalterin/-Meisterin im Apnoe-Tauchen, 1965, 1966 und 1967), dem französischen „Chasse Sous-Marine“-Champion von 1967, Tony Salvatori, dem französischen Weltmeister von 1967 im Speerfischen, Jean Tapu, wie auch der gesamten kubanischen Equippe (vermutlich entweder im Speerfischen oder Apnoe) warb Squale um die Gunst der nach wie vor jungen Zielgruppe der Unterwasser-Sportler.

Ebenfalls belegt ist, dass die Modelle aus dieser Zeit von der Neuenburger Uhrenfabrik Von Büren SA hergestellt wurden, die sogar in Anzeigen prominent als Absender auftrat, später erfolgte der Transfer der Marke nach Italien (zum vermutlich damaligen Importeur).

Beachtlich ist, dass man schon in dieser Zeit explizit darauf hinwies, auch Uhren im Programm zu haben, die auch ohne Heliumventil für Sättigungstauchgänge geeignet waren:

„Elle peut être utilisée pour des plongées avec mélange à l’hélium sans aucun risque d’explosion du verre lors de la décompression.“

Pack den Tiger vor den Lufttank

Squale_Tiger_Front
Eine italienische Interpretation der Ploprof – die Tiger von Squale mit Drehringsperre und herkömmlichen, mehrteiligen Gehäuse

Etwas aus der Reihe tanzt die oben vorgestellte, bis 300 Meter wasserdichte Squale Tiger (Ref. 2007). Es scheint erstens, dass es den in mindestens drei Zifferblattversionen (blau, schwarz und weiss) erhältlichen Tigerhai nämlich einzig von Squale gab. – Dass es sich dabei ganz einfach um die funktionale Kopie der Omega Ploprof handelt, überrascht zwar, lässt sich aber nicht von der Hand weisen. Nicht auf der Hand liegt indes, in welchen Zeitraum das gute Stück fällt. Und wie Omega wohl darauf reagiert hat…

Squale_Tiger_Caseback
Die Squale Tiger verfügt über einen regulären Schraubboden

Aber lassen wir das: Als vorsichtige Schätzung ist das gute Stück wohl zeitlich eher in die Nähe der 80er denn 70er zu rücken, wie vermutlich auch die zweite Exponentin, die schon wieder besser in das Schema Squale passt:

Déjà-vu – die Squale Professional 500

Squale_500_Front
Die Professional 500 verwendet ein häufig gesehenes Gehäuse-Design der 70er-/80er-Jahre

Wer das Gefühl hat, diese Uhr schon mal gesehen zu haben, liegt in der Tat richtig: Die bis 500 Meter wasserdichte Dreizeigeruhr verfügt über mehrere bekannte Komponenten, die vermutlich nicht kopiert, sondern ganz einfach von vorhandenen Beständen übernommen wurden: Den über Jahre weit verbreiteten, charakteristischen Gehäusetyp mit der breiten Kante bei 3 Uhr und der ergonomisch vorteilhaft platzierten Krone bei 4 Uhr gab es unter anderem auch von Airin, Dodane, Blancpain, TAG Heuer, Doxa, Zeno, Auricoste oder Sinn, wobei sich punkto Drehring- und Zifferblatt-Gestaltung, Federsteg-Konstruktion und Druckfestigkeit (200 bis 1000 Meter) inklusive den damit verbundenen Änderungen bei Krone, Boden und Glas entsprechend zahlreiche minimale Unterschiede beobachten lassen. Nichtsdestotrotz spricht vieles dafür, dass es sich im Prinzip um die selbe Uhr handelt, und es könnte sein, dass dieser Gehäusetyp von der im Jura ansässigen Manufacture de boîtes de montres MRP SA stammte.

Dieses Modell wurde von Squale übrigens auch als PVD- (Ref. 2003) und Quarz-Version angeboten. Sie verfügt – wie die Tiger (und vermutlich alle anderen Squale Uhren) auch – über ein Werk aus ETA-Produktion.

Vom Aussterben bedroht?

Von Squale selbst ist zum Zeitpunkt dieses Artikels (Sommer 2008) wenig bis fast nicht zu spüren. Die mechanischen Uhren ab 1960 tauchen glücklicherweise (noch) regelmässig in Auktionen auf, und liegen derzeit sogar (noch) im bezahlbaren Rahmen. Und sie erinnern uns mit ihrer Anwesenheit erfolgreich daran, dass die glorreichen Jahre der ersten Taucheruhren nicht einzig von den grossen bekannten Marken dominiert wurden, wie uns das heute manchmal erscheinen mag, wenn man Kataloge durchblättert.

In diesem Sinne könnte man hier – trotz lückenhafter Geschichte – von einer klaren Kauf-Empfehlung sprechen (vor allem was Modelle vor 1980 betrifft), sofern der Zustand der angepeilten Uhr möglichst keinen Austausch vitaler Komponenten verlangt. Und es ist zu hoffen, dass in den kommenden Jahren noch manches Geheimnis dieser Marke hier gelüftet werden kann.

Update (2010): Nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels im Jahr 2008 ist Squale derzeit wieder mit einer eigenen Website und Produkten (insbesondere Tiger und 500m) vertreten ist, scheint die Absenz der Marke damit definitiv vorbei, Sammler sollten sich aber dadurch noch stärker auf die 60er/70er Jahre konzentrieren.

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