Living on the Edge: Die dritte Generation der Girard-Perregaux Sea Hawk hat ganz schön Profil gekriegt
Es ist ja nicht so, dass man bei Girard-Perregaux in den letzten Jahrzehnten keine Taucheruhren gebaut hätte. Aber die bisherigen Modelle haben es irgendwie selten geschafft, sich ins kollektive Gedächtnis einzuprägen, was nur teilweise mit vergleichsweise kleinen Auflagen und fehlenden Rekorden oder berühmten Trägern zu erklären ist. Es liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass die – je nach Rechnungsart – „zweitälteste Uhrenmanufaktur der Schweiz“ erst seit wenigen Jahren eine eigenständige Taucheruhr im Sortiment führt, die mit dem jüngsten, ziemlich radikalen Redesign vielleicht sogar das Zeug zu einem modernen Klassiker hat – sollte sie auf die entsprechenden Stückzahlen kommen und etwas publikumswirksamer inszeniert werden als ihre Vorgängerinnen.

Geburtsstunde des Fischadlers
Nicht ganz unähnlich der Seamaster-Uhren von Omega, kann man auch bei Girard-Perregaux so etwas wie eine Doppelverwendung des Produktnamens beobachten: So führte das Unternehmen spätestens ab den 40er-Jahren reguläre Armbanduhren unter der Bezeichnung „Sea Hawk“ im Sortiment (laut Girard-Perregaux ab 1940), die sich unter anderem durch ihre Wasserdichtheit und ihre für damalige Verhältnisse überdurchschnittliche Robustheit auszeichneten. – Eigenschaften, die die „Sea Hawks“ im Laufe des 2. Weltkriegs zu offenbar ebenso beliebten wie explizit dafür beworbenen Uhren für amerikanische Soldaten werden liessen.
Um 1957 begann man dann auch bei Girard-Perregaux damit, Uhren extra fürs Tauchen anzubieten (unter anderem mit dem Modell „Deep Diver“), die aber abgesehen von einer vergleichsweise eher hohen Wasserdichtheit von rund 180 Meter optisch noch immer nichts mit dem zu dieser Zeit rasch aufkommenden Konzept der Drehlünette gemein hatten. Das sollte noch etwas dauern: Konsequenterweise wurde der vielversprechende Name „Deep Diver“ beibehalten und ein paar Jahre später auch für die ersten waschechten Taucheruhren von Girard-Perregaux eingesetzt, die etwa ab Mitte der 60er-Jahre im Sortiment auftauchten. – Die Uhren mit der Bezeichnung „Sea Hawk“ indes sollten sich in dieser Periode in eine durchwegs klassische Richtung entwickeln.

Ende der 80er-Jahre fand dann die Verschmelzung des namentlichen „Fischadlers“ mit dem bis heute gültigen Einsatzzweck als Taucheruhr statt: Mit der wiedererlangten unternehmerischen Eigenständigkeit im Jahr 1989 und dem langsamen Hochschrauben der Produktionszahlen von jährlich 2‘300 Stück (1985) auf 17‘000 Stück (1992, aktuell rund 20’000 Stück) lancierte Girard-Perregaux in dieser Zeit zahlreiche Varianten der (damals noch mit Bindestrich geschriebenen) „Sea-Hawk“ mit verschraubter Krone, Drehlünette und bis zu 500 Meter Wasserdichtheit bei den Stahlmodellen. – Mit entsprechenden Ambitionen: Der Preis für ein blaues Bi-Color-Modell mit Stahlband und -gehäuse beispielsweise lag im Jahr 1992 bei selbstbewussten 4‘950.00 D-Mark, und bis zum massiven 18k Gold-Modell mit braunem Krokodillederband sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Beim Werk griff man u.a. auf das Schnellschwingerwerk 990 von Longines zurück. (Anmerkung: Girard-Perregaux selbst gibt an, 1970 eine Taucheruhr unter dem Namen Sea Hawk lanciert zu haben.)
Vollends in das Unterwasser-Thema eintauchen sollte Girard-Perregaux aber erst im Jahr 2002: Mit der auf 42 mm angewachsenen „Sea Hawk II“ (sowie den John Harrison Modellen und den unzähligen BMW Oracle Racing Versionen) wurde der Grundstein für eine äusserst maskuline Linie gelegt, die sich bis heute in ihrem Wesen kaum verändert hat: Die Krone der bis 300 Meter wasserdichten Uhr wanderte erstmals zur 4-Uhr-Position hinunter, gut geschützt im markanten, asymmetrischen Gehäuse verschraubt.
Die bis heute charakteristischen Zeiger und das dem Inhouse-Kaliber 3300 (GP03300-0074) geschuldete Layout mit Gangreserveanzeige bei 6 Uhr feierten ebenfalls Premiere, mitsamt dem tiefliegenden Datum zwischen 1- und 2 Uhr. In ihren wesentlichen Zügen erinnerte die Uhr dabei etwas an einen sagenumwobenen militärischen Prototypen aus den 80er-Jahren von Tudor.

Auf dieser bereits vielversprechenden Basis lancierte Girard-Perregaux im Jahr 2004 eine bis heute wahrhaft ausserordentliche Extremtaucheruhr, die gemeinhin viel zu wenig Aufmerksamkeit erhielt: die über 20 mm hohe und 44 mm grosse, bis 3‘000 Meter wasserdichte „Sea Hawk Pro“ (Ref. 49940), die am SIHH in Genf debütierte. Als Profi-Modell spendierte man der Uhr nebst beeindruckender Wasserdichtheit gleich zwei gut gemeinte Heliumventile (eins auf jeder Seite) und ein knapp 5 mm dickes Saphirglas, beim Gehäuse setzte man dafür zuerst auf Gewicht-sparendes Titan.
Ein Jahr später schob man eine elegantere Version mit poliertem Gehäuse und Lederband nach (siehe Abbildung), was einmal mehr unterstrich, dass man es mit einem Haus zu tun hatte, das vor allem für seine eleganten Kreationen stand.
Ende 2012 und damit zehn Jahre nach der Sea Hawk II sollte sich die Reihe davon emanzipieren: In Miami enthüllte Girard-Perregaux eine optisch überarbeitete Sportuhren-Kollektion mit der Bezeichnung „Hawk“. Und lancierte zeitgleich unter diesem Dach die hier näher vorgestellte „Sea Hawk III“ als Vertreterin fürs Wasser.
Die dritte Dimension
Während die Vorgängermodelle bereits als sehr eigenständige Uhren bezeichnet werden können, ging man mit der Sea Hawk III nun noch stärker in die Richtung Marken-übergreifender Formensprache und Alleinstellungsmerkmale, die zudem das von den Laureato-Modellen bekannte Oktagon besser zur Geltung bringt.

Und auch wenn die dritte Generation nahtlos an die DNA ihrer Vorgängerin anknüpft, radikaler hätte dieses Redesign wohl nicht ausfallen können: Rundungen wurden mit Kanten ersetzt, Leder mit Kautschuk.
Zudem gab man gleichzeitig zwei bisherige (und liebgewonnene) Merkmale auf: Erstens die charakteristischen, tief herunter gezogenen Bandanstösse, die nebst einer Prise Eleganz auch für hohen Komfort standen. – Der neue proprietäre, verschraubte Bandanstoss geht da optisch in eine andere Richtung und schränkt die Freiheit bei der Bandwahl merklich ein (und es bleibt zu hoffen, dass nebst dem Kautschukband mit Faltschliesse noch an eine leicht zu montierende, verstellbare Option fürs Tauchen gedacht wurde). Zweitens die eher klassische Formensprache, die trotz stattlicher Merkmale nicht minder passend für die (bisherigen) optischen Werte von Girard-Perregaux stand. Dafür gewann die erstmals 2013 in Basel öffentlich gezeigte Linie tatsächlich massiv an Charakter und vor allem Einzigartigkeit, was dem verantwortlichen Designer nicht hoch genug angerechnet werden kann.
Oder mit anderen Worten: Die neue Sea Hawk III ist zweifellos eigenständig(er) geworden, ohne ihre Herkunft zu verleugnen, sie ist Manufaktur pur und reiht sich nahtlos in die Gruppe der avantgardistischen Luxus-Taucheruhren ein, die am Handgelenk entsprechend wirkt. In diesem Sinne: Operation mehr als gelungen, auch wenn der Wechsel zwischen der zweiten und dritten Generation vielleicht etwas mehr Angewöhnungszeit als üblich verlangt.
Sämtliche Versionen werden weiterhin vom Inhouse-Kaliber 3300 mit dezentraler Sekunde und Gangreserve angetrieben. Der Durchmesser des überaus aufwändig konstruierten Stahlgehäuses beträgt 44 mm, die Wasserdichtheit liegt bei 1’000 Meter. Bei 9 Uhr befindet sich weiterhin ein integriertes Heliumventil.
Und während das offizielle Presse- und Bildmaterial das Wesen der Uhr wirklich sehr gut erfasste, das tatsächliche Gewicht und die haptischen Qualitäten der Uhr konnte es dennoch nur ansatzweise widerspiegeln: In Kombination mit der beeindruckenden Tiefe des Zifferblattes, der Komplexität des Gehäuses und der durchgehend hohen, in diesem Uhren-Bereich eher selten anzutreffenden Finesse der Haute Horlogerie, kann man von einer wirklich überraschenden „Begegnung der dritten Art“ ausgehen, wenn man auf die Sea Hawk III in freier Wildbahn trifft.

Zwei grundsätzliche (unlimitierte) Versionen stehen dabei beim Start zur Verfügung: Die Sea Hawk mit silberfarbenem Zifferblatt und Drehring (Ref. 49960-11-131-FK6A) und die Version mit schwarzem Zifferblatt und schwarzer Kautschukeinlage im Drehring (Ref. 49960-19-631-FK6A). Während letzt genannte noch etwas sportlicher daherkommt, schafft es das silberfarbene Zifferblatt dafür besser, die Wabenstruktur und atemberaubende Tiefe vom Glas bis zur Datumsscheibe herauszuarbeiten. Beide sind 17,1 mm hoch und bringen 44 mm Durchmesser mit.

Zwei Herzen in einer Brust
Bei beiden Uhren ist der Taucher geneigt, das kantige Gehäuse umgehend als wahren Magneten für Schläge zu kritisieren. Hinzu kommt der Einsatz von Kautschuk an neuralgischen Stellen wie Krone und Drehring, was insbesondere bei der achteckigen Unterlage des eng anliegenden Drehrings früher oder später zu Gebrauchsspuren führen muss.
Orange als Akzentfarbe beim Minutenzeiger ist zwar gut gewählt, bei der Gangreserve aber schlichtweg zu gut gemeint.
Das proprietäre Bandsystem lässt derzeit wenig Alternativen zu, und die Länge des Kautschukbandes in Kombination mit der verwendeten Faltschliesse dürfte den hypothetischen Tauchgang mit Neopren-Anzug fraglich werden lassen. Update: Anfangs 2014 gab Girard-Perregaux bekannt, dass das neue Stahlband für den Chrono ebenfalls an die Sea Hawk III passt.
Demgegenüber stehen bis zu 1‘000 Meter Wasserdichtheit und ein integriertes Heliumventil, was wiederum als klares Statement verstanden werden muss, dass man es mit der Sea Hawk als Taucheruhr eigentlich durchaus ernst gemeint hat.

Der Uhrenfan erhält dafür alles, was man sich von einer Uhr wünscht (mit entsprechendem Preisschild): Ein mehr als eigenständiges Design, die natürliche Exklusivität einer faszinierenden Marke mit unglaublicher Geschichte, Manufaktur pur bei den wichtigsten Komponenten und eine Haptik, die man bei Sportuhren so wahrlich nicht allzu oft findet, dazu eine sinnvolle Komplikation – kurzum eine Uhr, die eigentlich in jeder Beziehung zu begeistern vermag, sich aber auch in einer Preislage befindet, in der sie sich gegen eine Deepsea, Fifty Fathoms und Co. behaupten muss.

Die bislang dritte unlimitierte Version (die mit Rückkehr von Girard-Perregaux an die Baselworld 2013 ihre Premiere feierte) könnte hier zur Alternative für beide Parteien werden: Die bis 300 Meter wasserdichte (und 0,7 mm höhere) Ref. 49960-32-632-FK6A im schwarzen Keramikgehäuse bringt nebst offensichtlicher Eignung als Tarnkappenbomber noch eine zusätzliche Portion Material-Innovation mit, die sich der eine oder andere Käufer von einer Uhr dieser Klasse automatisch erhoffen könnte. Zudem dürfte das Gehäusematerial bedeutend härter im Nehmen sein (1’400 HV versus 180 HV bei den Stahlmodellen).
Fazit
Girard-Perregaux schuf mit der Sea Hawk III glücklicherweise eine Uhr, die tatsächlich durchwegs Ecken und Kanten hat. Und als eines der absoluten Taucheruhren-Highlights des Jahrgangs 2013 ihren Platz hier mehr als verdient hat.
Sollte es Girard-Perregaux auch auf Kommunikationsebene gelingen, diesem polarisierenden Modell über das ökologische Engagement hinaus noch eine Portion Mythos einzuhauchen, stehen die Chancen gut, damit eine langfristig bedeutende Taucheruhr geschaffen zu haben.
Technische Daten
Modell: Girard-Perregaux Sea Hawk III
Referenz: 49960-19-631-FK6A (schwarzes ZB)
Gehäuse: Stahl (partiell Kautschuk), Boden verschraubt
Krone: Verschraubt
Drehring: Kautschuk-Einlage, einseitig rastend, 60er-Unterteilung
Band: Kautschuk mit Faltschliesse
Werk: Kal. GP03300 mit kleiner Sekunde, Datumsanzeige und Gangreserveanzeige; Rotor mit Keramikkugellager, einseitig aufziehend, Sekundenstopp, 46h Gangreserve, 25,6mm Durchmesser, 3,2mm Bauhöhe, 27 Steine, 191 Bauteile
Glas: Saphir entspiegelt
Wasserdichtheit: 1’000 Meter
Gehäuse-Durchmesser: 44mm
Gehäuse-Höhe: ca. 17mm
Bandanstossbreite: mm
Varianten: siehe Liste
Preis (Stand 2013): ab EUR 9’900.00 (2013)
Kollektions-Überblick (ab 2013)
Referenz | Jahr | Beschrieb | Preis Euro |
49960-11-131-FK6A | 2012/13 | Sea Hawk mit silberfarbenem Zifferblatt und Drehring, 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, Zeiger orange und schwarz | 9’900.00 |
49960-19-631-FK6A | 2012/13 | Sea Hawk mit schwarzem Zifferblatt und schwarzer Drehring-Einlage (Kautschuk), 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, Zeiger orange und silberfarben | 9’900.00 |
49960-19-1218SGD1A | 2012/13 | Sea Hawk „FOReverglades“ mit schwarzem Zifferblatt und rotem Rehaut sowie schwarzer Drehring-Einlage (Kautschuk), 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, limitiert auf 10 Exemplare, Zeiger schwarz (Gangreserve rot) | |
49960… | 2013 | Sea Hawk „Mission for Mermaids“ mit schwarzem Zifferblatt sowie schwarzer Drehring-Einlage (Kautschuk), 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, limitiert auf 20 Exemplare, Zeiger silberfarben und blau (Gangreserve grün) | |
49960-32-632-FK6A | 2013 | Sea Hawk mit schwarzem Zifferblatt und schwarzem Drehring, 44mm Keramikgehäuse, bis 300m wasserdicht, Zeiger schwarz | 12’800.00 |
49960-19-1305sfK6a | 2013 | Sea Hawk „Mission for Mermaids“ mit schwarzem Zifferblatt und grünem Rehaut sowie schwarzer Drehring-Einlage (Kautschuk), 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, limitiert auf xy Exemplare, Zeiger silberfarben und grün | |
49960-19-431-FK4A (Kautschukband) |
2014 | Sea Hawk mit blauem Zifferblatt und schwarz/oranger Drehring-Einlage (Kautschuk), 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, Zeiger orange und silberfarben | |
49960-11-636-BBBA (Alligator-Lederband) |
2015 | Sea Hawk mit schwarzem Zifferblatt und beiger Leuchtmasse, 44mm Edelstahlgehäuse, bis 1000m wasserdicht, Zeiger silberfarben |
Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2013 veröffentlicht.
Danke für die Vorstellung der GP Sea Hawk III. Ich finde die Bilder sind wirklich gut gelungen. Der Kollektionsüberblick ist auch wichtig. Danke für diesen tollen Blog.