Hautsache

Direkt aus dem Glashaus: Die Frage nach dem passenden Band

Ich fahre zu wenig oft Zug, fliege zu häufig und esse regelmässig Fleisch. Zu viel Fisch sowieso. Ich trage praktisch nur Lederschuhe, wechsle in der Regel viel zu schnell mein Mobiltelefon, und manchmal landet eine Tetra-Milchpackung versehentlich im Müll. Kurz gesagt: ich sollte bei solchen Themen eigentlich die Klappe halten. Andrerseits wurmt es mich halt doch: dass es nach wie vor Luxusuhren-Hersteller gibt, die ihre Taucheruhren mit Haifisch-Lederbändern in den Handel bringen.

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Eine Taucheruhr mit braunem Haifisch-Lederband

Die moralische Überlegenheit mag mir dabei fehlen, aber immerhin kann man das auch aus der Marketing-Ecke ziemlich gut versenken: Luxusuhren-Hersteller verkaufen ihr Produkt bekanntlich besser mit der Verknüpfung an eine emotionale Story; ob wir als Konsumenten nun dabei zum Mond fliegen, einen Formel-1-Rennwagen steuern oder zum Grund des Meeres tauchen – in Kombination mit unserem Wunsch, die Zeit in all ihrer Kostbarkeit auch gebührend zu messen, funktioniert das Ganze als Symbiose ziemlich gut. Und wenn dann die eine oder Marke mit ihrem Sponsoring-Engagement dabei sogar noch Gutes tut, haben eigentlich alle gewonnen. Übrigens: Gutes kann ebenfalls bedeuten, dass wir als Kunden schlicht und ergreifend einfach unterhalten werden.

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Tempus Computare lancierte 2010 einen Chrono in Zusammenarbeit mit der Sea Sheperd Umweltorganisation, die sich dem Schutz der Meere widmet

Aber es ist natürlich zugegebenermassen noch etwas grossartiger, wenn beispielsweise Blancpain mehrere Initiativen zum Schutz der Meere fördert, IWC nachweislich zum Erhalt der Galapagos beiträgt, Tempus Computare die Sea Shepherds ausrüstet, Ball Watch einen Apnoe-Taucher in seinem Sport unterstützt oder Rolex die Abenteuerlust eines Regisseurs teilt: Wir Konsumenten kriegen dadurch ein noch interessanteres Produkt, die Identifikation mit der Marke steigt, und das ausgegebene Geld hilft irgendwie auch noch bei einer guten Sache jenseits unseres eigenen Besitzerstolzes.

Diese „gute Sache“ ist in Zusammenhang mit Taucheruhren immer das Meer. Und vor allem die geteilte Leidenschaft respektive Sorge für den „Planet Ocean“. Kaum jemand würde sich (heute) eine Uhr kaufen, die mit Spearfishing in Zusammenhang steht. Kaum jemand würde mit seinem Uhrenkauf wissentlich eine wissenschaftliche Expedition unterstützen wollen, bei der ganz nebenbei Wale abgeschlachtet werden. Selbst Lego kann es sich nicht leisten, mit einem Ölkonzern zu kooperieren, und die Freude der Besucher an den Schwertwalen von Sea World war auch schon mal grösser.

Warum also lancieren Uhrenhersteller auch im Jahr 2015 noch Modelle mit Haifischlederbändern?

Die Wichtigkeit der Gattung auf die Gesundheit der Meere ist mittlerweile erkannt, die Unsinnigkeit von Haifischflossen als Delikatesse zumindest thematisiert, und auch wenn die unbestritten tragischen Unfälle mit Haien überdurchschnittlich stark in den Medien ausgeschlachtet werden: In der Regel (und aus der Distanz) überwiegt die Bewunderung für die Schönheit und atemberaubende Eleganz dieser Tiere. Tiere, die man kommerziell nicht züchten kann und deren Verwertungsquote sich leider zu oft nur auf eine Rückenflosse konzentriert.

Und natürlich sind Haie (oder Rochen) nicht besser als Kühe oder Pferde, natürlich gibt es sogenannte Artenschutz-Bestimmungen, und natürlich gibt es auch Freizeittaucher, die unter Wasser unbedingt eine Koralle anfassen müssen. Aber zumindest Uhrenhersteller müssen nicht auf Haifisch-Lederbänder beharren: Kautschuk, Metall oder Stoff sind funktionaler, langlebiger und passen irgendwie auch bedeutend besser zu dem Bild, das uns mit dem Rest der ganzen Marketing-Kommunikation gezeigt werden soll. Und aus PR-Sicht wäre die Unterstützung eines Programms zum Erhalt eben jener Gattung definitiv effektiver, als die Wahl eines bunten Bandes aus deren Haut.

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2015 veröffentlicht.

Ein Kommentar

  1. Sehr guter Punkt. Uhren trage ich am liebsten an Stahl, Silikon oder Nato. Mittlerweile gibt es auch Bänder in Lederoptik aus Mikrofaser in hervorragender Qualität.
    Wem aber wirklich etwas an Tieren und Umwelt liegt, der sollte zu einer pflanzlichen Ernährung wechseln. Die kann nicht nur sehr gesund, sondern auch sehr wohlschmeckend sein. Hier empfehle ich als Einstieg die augenöffnende Dokumentation „Gabel statt Skalpell“. Dann hat man auch länger Freude an seinen Uhren. ;-)

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