Omega Seamaster PO

Die Anatomie eines Zwiespalts

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Omega Seamaster Professional 600 Planet Ocean mit 45.5 mm Durchmesser

Wunderschöne Uhr, starke Marke mit noch stärkerer Historie im Taucheruhren-Bereich, hoher, aber argumentierbarer Preis, nahezu perfekte Verarbeitung: Alles in allem dürften sich an der Planet Ocean von Omega wahrlich wenig Kritikpunkte finden lassen, die einen Kauf verhindern könnten. Und doch – oder vielleicht gerade deshalb – will Omegas jüngstes wasserdichtes Flaggschiff als Taucheruhr nicht mehr so recht ins Bild passen – vermutlich auch deshalb, weil mit dieser Uhr definitiv klar wird, welche Richtung der Gigant aus Biel einschlägt.

Eine Kritik auf hohem Niveau:

2004 hätte das Jahr sein sollen, da Omega endlich wieder eine bis 600 Meter wasserdichte Extrem-Uhr im Sortiment gehabt hätte. Hätte. Denn zur Überraschung von manchem Fan tauchte die erwartete Uhr in Basel nicht auf (was Gerüchten zufolge übrigens wenig mit dem Produkt, aber viel mit dessen Kommunikation im Markt zu tun hatte). Dafür wurde ein Jahr später die als „Planet Ocean“ bezeichnete Linie vorgestellt und – nochmals ein Jahr später – im Jahr 2006 um eine Chrono-Version erweitert.

Tiefer Griff in die Geschichtskiste

Dass sie schon von Geburt an wie ein grosser Klassiker wirkt, hängt damit zusammen, dass man sich optisch auch tüchtig bei den Klassikern bediente: Während die Lünetteneinlage an die erste Seamaster Taucheruhr von 1957 (CK 2913) erinnert, stammen Gehäuse und Gesamteindruck eher vom 64er Modell ab.

Omega Seamaster 300 (Ref. ST 165.024)

Bei den Zeigern hat man sich – wie schon bei der Aqua Terra – bei der nicht-tauchenden Railmaster/Ranchero bedient. Das Heliumventil schliesslich wurde von der 1993 lancierten Seamaster 300 (Ref. 2531.80.00) übernommen; mit dieser Uhr teilt sich die Planet Ocean auch die Verbindung zu James Bond, die beide im Rahmen eines eher breit angelegten Product Placements bspw. bei „Casino Royale“ (2006) publikumswirksam inszeniert wurden.

Keine Verwandtschaft besteht hingegen zwischen der legendären Seamaster Professional 600 und der aktuellen Seamaster Planet Ocean 600. Obschon mancher Fan damals hoffte, die legendäre „Ploprof“ würde doch noch innerhalb der Museums-Linie neu aufgelegt (was erst 2009 passieren sollte), ist bis auf die Tiefenbezeichnung keine direkte Verwandtschaft spürbar.

Und dies ist vielleicht der grösste Kritikpunkt, der sich an der Planet Ocean finden lässt: Obschon sie optisch nahtlos in die Historie von Omega zu passen scheint, bedeutet diese Uhr bei genauer Betrachtung eine radikale Abkehr von einer Taucheruhren-Philosophie, die bei Omega mindestens seit 1957 herrschte: richtige Taucheruhren zu bauen.

Die als „Professional“ geführte Planet Ocean ist zwar passenderweise für stattliche Tiefen ausgelegt, bietet aber beispielsweise punkto Ablesbarkeit wenig der Vorteile, die man bislang von Omega gewohnt war: Der fürs Tauchen wichtige Minutenzeiger wird vom Stundenzeiger an Prominenz übertroffen, die Lünette ist aufgrund der nach aussen gerückten, etwas plattgedrückten Zahlen schwerer abzulesen, die Entspiegelungsschicht sehr anfällig und insgesamt ist die aufwändig bearbeitete Uhr mit Speedmaster-Flanken fast schon zu schade und filigran für den Einsatz beim Gerätetauchen.

Der ebenfalls „Professional“ Chronograph verhält sich da nicht anders: obschon die Drücker bis 600 Meter dicht bleiben, vermisst man bei der Gestaltung der Totalisatoren die ansonsten eher aufs Tauchen fokussierte Akzentuierung der Zeiger. So ist es „nur“ ein weiterer Chrono mit bekanntem Layout, den man jetzt auch noch im wasserdichten Gehäuse von Omega findet. – Vorbei die Zeiten, da man noch zentral aus der Mitte eingesetzte Minutenzähler finden konnte.

Es scheint, als hätte sich Omega mit der Planet Ocean erstmals bewusst entschieden, eine „Dress Watch“ anstelle einer „Tool Watch“ zu lancieren, resp. die Funktion der wohlproportionierten Form unterzustellen. Da passt es perfekt, dass man eine Uhr, die doch immerhin mit unübersehbar platziertem und nun auch angeschriebenem Heliumventil ausgestattet wurde, serienmässig mit Krokolederband und Faltschliesse anbietet.

Diese Kritik mag nun extrem nach Haarspalterei klingen, schliesslich werden heute generell praktisch keine Taucheruhren mehr im realen Einsatz verwendet – aber bislang hat man auch bei Omega in der jüngeren Vergangenheit stets darauf geachtet, ein „man könnte problemlos, wenn man wollte“ glaubhaft zu zelebrieren.

Und hier genau liegt der Zwiespalt: Mit der Planet Ocean hat das Unternehmen einen Grossteil seiner Taucheruhren-Kompetenz bewusst aufgegeben, um neue Käuferschichten zu erreichen – was mit diesem durchwegs gelungenen Produkt selbstverständlich auch gelingen wird. Die Frage ist nur, ob es sich langfristig auszahlt, mit einer Uhr, die offen zum Gimmick steht und sich dadurch etwas um ihre Glaubwürdigkeit bringt, die erklärte Konkurrenz in Genf angreifen zu wollen. Denn: Auch heutige Taucheruhren leben vom Mythos des realen Einsatzes – von der Planet Ocean hingegen wird man in Zukunft kaum hören, dass sich Profitaucher XY auf das Produkt verlässt.

Und während sich kleinere Hersteller auch heute erfolgreich bemühen, das Thema Taucheruhr stets um eine Innovation zu bereichern und bewusst die Nähe zur Praxistauglichkeit suchen, bietet die Planet Ocean wenig von dem, was eine Seamaster 1000, Ploprof, 120 etc. ausmachten – den Willen, eine Uhr für den angedachten Verwendungszweck ständig zu optimieren.

In diesem Sinne ist es vielleicht auch charakteristisch, dass man für die fiktive Taucheruhr Planet Ocean u.a. auf einen fiktiven Geheimagenten als Testimonial zurückgegriffen hat. Auf einen Agenten, der sich – im Vergleich zu uns Normalsterblichen – zum Glück nicht selbst für ein Modell entscheiden musste – diese Mission erweist sich nämlich angesichts der breiten Palette als eher schwierig:

Artenvielfalt

Wie von Omega gewohnt, findet man auch innerhalb der Planet Ocean Reihe wieder eine Vielzahl von Varianten. Kurz zusammengefasst gibt es in erster Linie eine „kleine“ mit 42 mm Durchmesser und eine wirklich grosse mit 45.5 mm Durchmesser. – Mit jeweils unterschiedlicher Fräsung am Lünettenrand (die 42er orientiert sich klarer an der Vorlage von 1964).

Seit 2006 gibt’s dann noch den bereits erwähnten Chronographen, mit rund 45.5 mm Durchmesser und knapp 18 mm Höhe ein eher aus Trend-Überlegungen geschaffener Gigant fürs Handgelenk. Seit 2007 gibt’s u.a. auch noch eine Vollgold-Version sämtlicher Gehäuse-Grössen und -Varianten, die soll aber die weiteren Überlegungen nicht weiter beeinflussen.

Hat man die grundsätzliche Wahl zwischen diesen drei Varianten getroffen, steht als nächstes die Wahl des Drehrings an: Eine dem Zeitgeist entsprechende orange und eine klassisch schwarze Lünetteneinlage stehen derzeit zur Verfügung, und zum Glück hat Omega trotz mehrfach öffentlich erklärter Kampfansage an Rolex darauf verzichtet, auch noch einen grünen Drehring anzubieten. – Noch, denn wer weiss, wie Omega das Jubiläumsjahr 2007 (50 Jahre Seamaster-Taucheruhren) begehen wird.

Zurück zur Vielfalt: Beim jederzeit matt-schwarzen Zifferblatt wählt man zwischen weissen oder orangen, fast roten Ziffern, und beim Band hat man schlussendlich die Qual der Wahl zwischen Stahlband, gummiertem Band, Krokodilleder- oder Kautschukband in den Farben braun, schwarz oder orange.

Insgesamt stehen somit derzeit (anfangs 2007) knapp 30 (!) unterschiedliche Planet Oceans in den Auslangen bereit (siehe hierzu auch Übersicht ganz unten), Sondermodelle mit Steinbesatz nicht eingerechnet. Und die Chancen stehen gut, dass diese Vielfalt mit wachsendem Alter der Familie nochmals massiv zunehmen wird (Nachtrag: wie man bereits 2007 sehen konnte).

Wer sich nun angesichts dieser fast schon inflationären Menge schwer tut, eine Entscheidung zu treffen, kann beruhigt sein: Der Drehring lässt sich vergleichsweise einfach wechseln, Bänder sowieso und der Unterschied zwischen den Zifferblättern ist doch eher gering.

Zu den Bändern folgender Rat: Mit 100 Franken Aufpreis beim angenehm massiven Stahlband (das bei gewissen Handgelenken zum Abstehen neigt und der Uhr etwas vom klassischen Look nimmt) sollte man sich vor dem Kauf überlegen, welche Variante insgesamt die preislich attraktivste ist – ein späterer Kauf des Stahlbands könnte je nach Konfiguration zu einem höheren Totalpreis führen.

Ebenfalls ist es ratsam, bei der Wahl der Gehäuse-Grösse wohl überlegt zu entscheiden:

Die Qual des „Choice of“

Wer sich in den Chrono oder in die limitierte James-Bond-Edition verguckt hat, wird’s bedeutend einfacher haben. Wer sich hingegen generell zwischen den 42 und 45.5 mm Dreizeigeruhren entscheiden darf, wird sich folgende Fragen stellen müssen: Soll man das ziemlich grosse Top-Modell der Linie nehmen, oder begnügt man sich mit der angesichts der grossen Schwester fast schon zum Damenmodell degradierten Kleinen?

Wie lange hält der Trend der Oversize-Uhren noch an, und wie wichtig ist dem künftigen Besitzer eine harmonische Platzierung des Datumsfensters auf dem Zifferblatt? Kann dieser damit leben, dass – besonders beim grossen Dreizeiger-Modell – das Werk im Vergleich zum Gehäuse fast schon grotesk klein ist (zwischen Gehäuserand und Werk liegt auf jeder Seite immerhin ein ganzer Zentimeter)? Und: Soll man es ausnahmsweise mal bunt treiben, oder hat man sich vielleicht an den rot-orange Elementen bald satt gesehen?

Selbstverständlich handelt es sich hierbei um durchwegs komfortable Probleme, derer man eigentlich dankbar sein muss, sie zu haben. Nichtsdestotrotz dürfte manch weniger spontane Käufer mit gefüllter Brieftasche dennoch erst einmal wieder ohne Uhr abziehen, wenn die Entscheidung eben doch etwas zu schwierig war.

Der vielleicht längste Name der Welt

Nicht minder vielfältig ist die Namensgebung der Planet Ocean: Als „Omega Seamaster Professional 600 Meter Planet Ocean“ tut man gut daran, nur nach einer Planet Ocean zu verlangen – ansonsten riskiert man schon nach der Begrüssung des Händlers einen leichten Sauerstoffmangel.

Dementsprechend bietet das Zifferblatt auch einiges an (überflüssiger) Lektüre, schliesslich wollte man auch nicht verschweigen, dass das verwendete Werk mit einer co-axialen Hemmung versehen wurde und die Chronometer-Prüfung bestanden hat.

Weitere Haare in der Delikatess-Suppe

Bleiben wir noch kurz bei den bislang unerwähnten, subjektiven Schwächen der Uhr, bevor wir zum Lobgesang kommen.

  1. Auch wenn die Mehrheit der Käufer die Pfeilspitze am Minutenzeiger als gelungen empfinden wird und Kritik daran wenig ändert, er ist und bleibt gewöhnungsbedürftig. Und Omega selbst hat schon mehrfach bewiesen, dass bei dieser als „Broadarrow“ bekannt gewordenen Zeigerform der Minutenzeiger sehr wohl auch ohne Pfeilspitze auskommen kann.
  2. Wenn die Uhr schon mit einem verschraubbaren Heliumventil ausgestattet ist, hätte diese Krone im Durchmesser mit dem Pendant bei 3 Uhr mitziehen können.
  3. Nimmt man Drehring-Fräsung, Kronen-Riffelung und – im Falle des Chronos – die Fräsung der Drücker-Führung zusammen, hätte etwas mehr Einheit zu einem noch stimmigeren Bild geführt. Und…
  4. …auch wenn man sich das von Omega gewohnt ist – ein etwas satterer Klang der Lünette beim Drehen und etwas weniger Exemplare mit leicht versetzt zur 12-Uhr-Markierung eingepassten Lünetten-Einlagen wären wünschenswert gewesen.

Nicht ganz plausibel ist der unterschiedliche Einsatz der Fräsungen – eine Variante, die Omega-klassische, hätte vollauf gereicht; die etwas nach Rolex riechende Big-Size-Variante hingegen hätte man sich sparen können.

Überirdisch

Genug Kritik, kommen wir zu anderen Seite des Zwiespalts: Schlichtweg atemberaubend präsentiert sich nämlich die Rückseite der Planet Ocean. – Die Gravur des obligaten Seepferdchens (resp. der Casino-Royale-Schriftzug) ist von einer Qualität, die man von Omega bislang nicht gewohnt war. Was sich schlussendlich ja auch im angehobenen Preis reflektiert.

Nicht reflektierend ist übrigens das entspiegelte Saphirglas: Hier taucht der Betrachter direkt ins Zifferblatt ab, das mit applizierten und aufgedruckten Elementen keinen Grund zur Kritik gibt. Im Gegenteil.

Und das trifft auch auf den Rest der Uhr zu: faszinierend schön.

Innere Werte

Vom ETA Basis-Werk bei der Dreizeiger-Uhr ist – bis auf dessen zuverlässige Dienste – wahrlich nicht mehr viel zu erkennen: Die veränderte Automatikbrücke und der Unruhkloben, die Co-Axial-Hemmung, die Feinregulierung und die reduzierte Frequenz auf 25’200 A/h rechtfertigen eine eigene Kaliberbezeichnung des COSC-geprüften Werks mehr als genug.

Identisch sieht’s beim Chronographen-Modell aus: Der auf einem Piguet-Werk basierende Schaltradchrono wurde ebenfalls aufwändig umgebaut und macht nun als Kaliber 3313 auch hinter dem massiven Gehäuseboden eine ausgezeichnete Figur.

Auf die Vor- und möglichen Nachteile der co-axialen Hemmung soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden – das prinzipiell spannende und vielversprechende Konzept ist zwar erfolgreich industrialisiert worden, aber nach wie vor zu jung, um ein erstes Urteil über dessen prognostizierten Vorteil der längeren Service-Intervalle zu fällen. Es funktioniert, was will man mehr?

Fazit

In den über 70 Jahren kontinuierlicher Pionierleistung als Hersteller wasserdichter Uhren und insbesondere von kompromisslosen Uhren für den Taucheinsatz, wurde hier ein wunderschönes, perfekt verarbeitetes aber Innovations-freies Flagschiff-Modell der Seamaster-Taucheruhren-Kollektion geschaffen, das – eigentlich einmalig – nicht in erster Linie für Taucher, sondern für Strandgänger und Schwimmer produziert wurde.

Omega als Synonym für Plongeur-Zeiger, der Drehring-Sperre, als Saphirglas-Pionier, als früher Hersteller von benutzbaren Tauch-Chronos etc. etc. hat seine gewaltige Historie inhaltlich eher stiefmütterlich behandelt, um eine elegante – bizarrerweise mit Heliumventil und Professional-Zusatz versehene – Pseudo-Taucheruhr zu lancieren, mit der man Rolex angreifen will.

Etwas mehr Bekenntnis zur eigenen, reichen Geschichte, etwas mehr Anlehnung an die vergangenen Klassiker, und die Planet Ocean hätte nicht nur äusserlich, sondern insgesamt zu einer der schönsten Taucheruhren der Gegenwart werden können. So aber zeigt sich überdeutlich, dass man zu Gunsten neuer Käuferschichten auf manches verzichtet hat, um Omega ein grosses Stück in Richtung des alten Platzes in der Welt der Uhren zurückbringen.

Insofern gilt folgender Kompromiss vielleicht als perfektes Urteil zu einer Uhr, die man nur ungern kritisiert: Es ist eine wunderschöne Hommage an vergangene Taucheruhren, deren Kauf man kaum bereuen wird.

Dieser Artikel wurde erstmals 2007 veröffentlicht.