Citizen GT Sport

Im Frühling 2014 stellte Citizen innerhalb der „Signature Collection“ (einer eher höher positionierten Linie, die sich auf die uhrmacherischen Qualitäten des Unternehmens berufen möchte) zwei Varianten einer markanten, bis 300 Meter wasserdichten Uhr vor, die auf den ersten Blick eindeutig auf Taucheruhr macht, es aber tunlichst vermeidet, sich selbst auch als solche zu bezeichnen. Und das hat gleich mehrere Gründe, wie ein zweiter Blick offenbart:

Grand Touring Sport

Als Ergänzung der mehrheitlich für den amerikanischen Markt bestimmten Grand Touring Modelle übernimmt die unter dem Zusatz „Sport“ vorgestellte Uhr das Kissen-förmige Gehäuse sowie den unübersehbaren Kronenschutz ihrer Schwestern:

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Das Schwester-Modell innerhalb der GT Serie – ohne Drehring, aber mit ähnlichem Gehäuse

Neu ist u.a. der einseitig bedienbare Drehring sowie die für die Gattung typische, zweifarbige Ausführung der Zeiger. Die Wasserdichtheit liegt bei 300 Metern, was ebenfalls für einen bedenkenlosen Tauchgang sprechen täte. Und damit wären wir auch schon beim eingangs erwähnten zweiten Blick:

In leichtem Widerspruch dazu steht nun nebst dem Namen nämlich das Stahlband, dessen Verschluss nicht nur ohne Verlängerung auskommen muss, sondern auch ohne Sicherheitsbügel. Insofern liesse sich die Uhr in diesem Zustand nicht ohne Weiteres über einem Neoprenanzug tragen, und das Risiko eines Verlusts durch unbeabsichtigtes Öffnen wäre zudem auch nicht ganz unrealistisch. Darüber hinaus stehen der Gehäuseboden mit Sichtfenster, das Werk-Finish, die Beschaffenheit des Bandes, die eher eleganten, applizierten Indexe wie auch die eher mässig lang anhaltende Leuchtkraft im Dunkeln ebenfalls nicht ganz im Einklang mit den Nehmer-Qualitäten, die Grösse und Kronenschutz suggerieren. Und damit wird plötzlich auch etwas klarer, warum Citizen die Uhr „Sport“ getauft und einen grossen Bogen um Begriffe wie „Diver“ oder „Promaster“ gemacht hat (dafür trifft man auf „Swimming, Showering & Snorkeling“ als Verwendungs-Beispiele für die gebotene Wasserdichtheit).

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Der GT Diver wird mit Stahlband ausgeliefert, das blaue Textilband ist nicht im Lieferumfang enthalten

Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden: mit passendem Band wäre die Grand Touring Sport eine uneingeschränkt einsetzbare Taucheruhr, daran liegt’s nun freilich nicht. Viel eher stellt sich in diesem Fall die Frage, warum ausgerechnet Citizen – notabene ein Unternehmen, das in den letzten Jahrzehnten vermutlich mehr Taucherarme mit Zeit- und Tiefenmessern bestückt haben dürfte, als manch andere Uhrenmarke, und mit Modellen wie der Promaster 1000 bewiesen hat, auch am oberen mechanischen Ende locker mitspielen zu können – eine elegante, Taucheruhr-angelehnte Uhr entwirft, die mit Blick auf den US-amerikanischen Markt ein bisschen wie ein Muscle-Car wirkt.

Dadurch ist die 44 mm grosse Uhr streng genommen weder Fisch noch Vogel. Nimmt man die Grand Touring Sport als Leistungsbeweis der uhrmacherischen Qualitäten des Unternehmens, irritiert der grosse Werk-Haltering aus Plastik und das industrielle Finish der Platine (beides wird erst sichtbar, wenn der Gehäuseboden entfernt wird), während der Rest ja eigentlich gut passen täte. Und als funktionale Taucheruhr stellt sich unweigerlich die Frage, warum man auf essentielle Features verzichtet hat, dafür aber den Anschein von maximaler Belastbarkeit wecken will.

Wer damit keine Probleme hat, kriegt dafür eine ebenso markante wie attraktive Uhr, die einmal mehr beweist, dass tadelloses Finish mit satinierten Flächen und polierten Kanten, In-House-Kaliber, Sandwich-Zifferblatt, massives Stahlband mit verschraubten Gliedern und massivem Anstoss, beidseitig (sensationell) entspiegeltes Saphirglas, bis zu 6 Jahre Garantie, Sichtglasboden und ein doch relativ eigenständiger Look (ob Gehäuseform und Krone nun an Panerai erinnern, sei jedem selbst überlassen zu entscheiden) zwar nicht geschenkt, aber mit USD 1’195.00 auch nicht wirklich überrissen angeschrieben sein müssen. Zumal in der Regel auch noch etwas Verhandlungsspielraum herrscht, wenn die Uhr im Ausland bestellt wird.

Blaumann

Besonders erwähnenswert ist das blaue, leicht metallen wirkende Zifferblatt der hier mehrheitlich gezeigten Version. In Kombination mit der abgesetzten Minuterie und dem Datumsfenster sowie den aufgesetzten, polierten Indexen entsteht hier eine herrliche Tiefenwirkung, die einen oftmals vergessen lässt, auch wirklich die Zeit abzulesen. Nimmt man dann noch das 33 mm grosse (beidseitig entspiegelte) Saphirglas und die 44 mm grosse, zweifarbig abgesetzte Drehlünette dazu, kann man in jedem Fall von einem grossen Auftritt sprechen. Entsprechend sollte der interessierte Käufer vorbereitet sein, eine mitsamt Krone über 50 mm grosse Uhr zu tragen.

Blick aufs Zifferblatt mit aufgesetzten Indexen, Logo und funktional nutzloser farblicher Unterscheidung der ersten 15 Minuten

Eher sinnbefreit ist die rote Unterlegung der ersten 15 Minuten, aber schlecht sieht’s ja zum Glück nicht aus. Weitere Kritikpunkte: der orangefarbene Minutenzeiger wurde im vorliegenden Fall seitlich nicht ganz sauber lackiert, und die Spitze der 12-Uhr-Markierung im polierten Teil der Lünette ist zudem minimal versetzt. Beides fällt aber kaum auf. Dafür ist die Krone definitiv auf dem Handrücken zu spüren, wenn die Uhr etwas weiter vorne getragen wird.

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Der Kronenschutzbügel im geöffneten Zustand

Die Funktion des Kronenschutzes ist übrigens relativ simpel: Die Aufzugskrone ist herkömmlich verschraubt; wird sie bis zum Sekundenstopp ganz heraus gezogen, fährt der äussere Bügel dadurch automatisch mit raus. Dieser lässt sich somit auch unabhängig der Krone jederzeit um ein, zwei Millimeter ausziehen.

Positiv ist, dass dieser „Stossfänger“ nicht Teil des Gehäuses ist, dadurch könnte der Kronenschutz im Falle eine Falles auch getauscht werden, ohne gleich das ganze Gehäuse zu tangieren.

Hinter dem Sichtglasboden kommt das hauseigene Kaliber 9012 mit 24 Lagersteinen zum Einsatz, das von der Konzerntochter Miyota auch unter der Bezeichnung 9015 erhältlich ist. Grösster Unterschied dürfte im Design des Rotors liegen. Und vergleicht man den Durchmesser des Werks mit dem restlichen Gehäuse, zeigt sich auch, wie viel unnötige Luft drumrum eingeplant wurde:

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Der Gehäuseboden offenbart nicht nur einen Blick aufs 9012, sondern lässt auch erahnen, wie gross die Uhr ist

Und bevor uns hier noch die sprichwörtliche Luft ausgeht, wird’s Zeit für so etwas wie ein Fazit: Auch wenn sie eher vorgibt, eine Taucheruhr zu sein, bleibt die Grand Touring Sport trotz all ihrer Widersprüche eine imposante Uhr, was wiedereinmal beweist, dass das Thema Uhren bei aller Rationalität halt auch durch seine Emotionalität lebt. Oder mit anderen Worten: ein Geländewagen ohne Vierradantrieb kann trotzdem gut auf der Strasse aussehen. Rein theoretisch.

Nichtsdestotrotz: Wer sich für die Uhr interessiert, tut gut daran, zuerst sein Handgelenk zu messen. Oder beim nächsten Aufenthalt in den Staaten eine Anprobe einzuplanen.

Technische Daten

Hersteller:Citizen Watch Company
Modell:Grand Touring Sport
Referenz:NB1031-53L
Einführung: 2014
Gehäuse:44 mm grosses Edelstahlgehäuse mit verschraubter Krone und zusätzlichem Kronenschutzbügel (nicht im Durchmesser enthalten), einseitig drehbare Lünette mit 60 Klicks, beidseitig entspiegeltes Saphirglas, Schraubboden mit Sichtglas, 300 Meter wasserdicht
Band:Edelstahlband mit verschraubten Gliedern, Faltschliesse ohne Feineinstellung oder Verlängerung, kein Sicherheitsbügel
Zifferblatt:mehrstufig ausgeführtes, blaues Zifferblatt mit aufgesetzten Indexen und Sonnenschliff
Werk:Citizen Kaliber 9012 (Basis Miyota 9015) mit 24 Lagersteinen, Sekundenstopp und Handaufzugsmöglichkeit
Varianten:bi-color mit schwarzem Zifferblatt und vergoldeten Indexen (Ref. NB1036-50E)
Preis:ab USD 1’195.00 (2014)

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2014 veröffentlicht.