Tudor Pelagos

Die kleine Schwester ist erwachsen geworden

Tudor schaffte 2012 das Kunststück, gleich zwei Taucheruhren-Highlights an der Baselworld zu enthüllen: Die durchwegs klassisch gestaltete Heritage Black Bay (Ref. 79220R) und die punkto Materialwahl und Spezifikationen etwas leistungsorientiertere Pelagos (Ref. 25500TN), die ihren Namen dem griechischen Begriff „pelagós“ (Meer) verdankt.

Während es die bis 200 Meter wasserdichte Heritage Black Bay vortrefflich verstanden hat, umgehend ein eher Lifestyle-orientiertes Publikum anzusprechen, provozierte dafür die bis 500 Meter wasserdichte Pelagos in den folgenden Monaten bei dem einen oder anderen uhrenbegeisterten Taucher die ungewohnte Frage, ob Tudor zwischenzeitlich wohl eine bessere Taucheruhr geschaffen habe, als es Rolex mit der Submariner bis dato gelungen war. Höchste Zeit also, dass der markanten Uhr mit dem noch markanteren Stundenzeiger hier etwas genauer auf den Zahn gefühlt wird:

Tudor_Pelagos_Lifestyle
Tudor Pelagos mit ETA-Werk (Ref. 25500TN) – von 2012 bis 2015 im Sortiment

Fluch und Segen der Nähe

Die Anfänge des Namens reichen bis ins Jahr 1926 zurück, aber als Zweitmarke von Rolex wurde Tudor offiziell im Jahr 1946 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, das Angebot von Rolex preislich nach unten zu ergänzen. Die dafür genutzten Synergien ermöglichten sowohl Tudor als auch deren Kundschaft von Anfang an, von den zahlreichen Innovationen von Rolex zu profitieren, was unter anderem in der fast umgehenden Lancierung eigener Oyster-Modelle mündete.

Tudor Submariner aus 1954

Tudor war dadurch auch praktisch zeitgleich mit Vorstellung der Rolex Submariner in der Lage, ein nicht minder ausgereiftes Taucheruhren-Modell unter selbem Namen anbieten zu können. – Wenn auch nie annähernd so populär, schafften es die ab 1954 eingeführten Submariner-Modelle von Tudor bspw. ebenfalls vereinzelt zu militärischen Ehren (so zum Beispiel ein Modell mit blauer Lünette…

Tudor Submariner der französischen Marine (mit fixierten Bandstegen) aus dem Jahr 1975

…bei der französischen Marine) und entwickelten zeitweise vor allem hinsichtlich Zeigern und Farbgebung sogar eine gewisse Eigenständigkeit. Aber ganz aus dem Schatten der immer legendärer werdenden Schwester sollten die Tudor Submariner dennoch nie treten können.

Bis zum Produktionsende der Submariner-Reihe Mitte der 90er-Jahre galt Tudor dafür tatsächlich wie geplant als günstige Alternative zu Rolex, wobei gut informierte Käufer ein identisches Gehäuse (mitsamt Rolex-Logo auf der Krone) für bedeutend weniger Geld erhielten. Nicht erhalten sollten sie aber bis zum Schluss ein Rolex-Kaliber (verwendet wurden ETA-Werke), Saphirglas (dafür Plexi) oder eine rastende Lünette – aber schon aus etwas Entfernung waren die Uhren dafür kaum noch von den Modellen mit Krone zu unterscheiden.

Damit sollte spätestens 1999 offiziell Schluss sein: mit der in diesem Jahr eingeführten Hydronaut-Kollektion wollte man sich nicht nur namentlich emanzipieren – der neue Vorsatz „Ähnlichkeit ja, identische Teile nein“ führte dabei nicht nur bei der Lünette zu bedeutend mehr Abgrenzung, sondern sorgte auch dafür, dass Käufer einer Submariner-Alternative nicht mehr wie früher bedient werden konnten.

Tudor Hydro 1200 (Ref. 25000)

Im Jahr 2009 verstärkte Tudor diesen Entscheid: Die in zwei Varianten an der Baselworld 2009 vorgestellte Extrem-Taucheruhr Hydro 1200 (Ref. 25000) brach noch radikaler mit der Formensprache der vergangenen 55 Jahre – praktisch nichts an der bis 1‘200 Meter wasserdichten Uhr erinnerte noch an die gemeinsamen Modelle. Dafür fanden Keramiklünette und Heliumventil erstmals Eingang ins Repertoire, während die angepassten Hydronaut-Modelle der zweiten Generation weiterhin für die konservativere Kundschaft im Programm bleiben sollten.

Die grundsätzlich interessante Hydro zeichnete sich durch eine ungewöhnliche markante Zifferblatt-Beschriftung aus und durch eine etwas gewöhnungsbedürftige Zeigerform, wobei insbesondere der Minutenzeiger immer wieder zu doppeldeutigen Kommentaren in Foren führte. Insgesamt aber fehlte dem Modell logischerweise genau das, was aus der Beliebigkeit der Uhr eine klar erkennbare Taucheruhr von Tudor gemacht hätte.

Rückbesinnung und Bekenntnis zu den eigenen Wurzeln

Tudor Heritage Black Bay (Ref. 79220R) mit ETA-Kaliber (2012 bis 2016)

Als besonders erfreulich können deshalb die beiden Neuheiten-Lancierungen des Jahres 2012 betrachtet werden: Tudor hatte ab 2010 begonnen, mit sogenannten Heritage-Modellen die eigene Vergangenheit wieder stärker ins Zentrum zu stellen und fand damit zu einer ausgewogenen Mischung aus Formensprache und Eigenständigkeit, ohne dabei die eigene Tradition länger zu ignorieren.

Genau dieses erfolgsversprechende Rezept wurde 2012 auch auf die Taucheruhren-Modelle ausgeweitet: Mit der im Retro-Design gehaltenen Heritage Black Bay (Ref. 79220R) mit Edelstahlgehäuse, roter Lünette, historischem Tudor-Logo und Zifferblatt sowie der im Vergleich etwas moderneren Pelagos im Titan-Gehäuse (Ref. 25500TN), wurden in Basel zeitgleich zwei Modelle präsentiert, die auf den ersten Blick ziemlich unterschiedlich, auf den zweiten Blick aber tatsächlich sehr symbiotisch die Taucheruhren-Kollektion der Marke neu beleben sollten.

Obschon es namentlich und formal keines der Modelle in der Vergangenheit so gegeben hatte, bedienten sich beide Neuheiten relativ frei an historischen Vorlagen und rückten beide den Ende 60er Jahre eingeführten, als „Snowflake“ bezeichneten Stundenzeiger auch wieder stärker ins Zentrum. Die Gehäuseformen orientierten sich von den Proportionen her ebenfalls wieder stärker an den früheren Oyster-Gehäusen, wiesen aber bei den Flanken und Kronen eine mehr als ausreichende Eigenständigkeit auf.

Die Black Bay übernahm dabei zusätzlich mit der freistehenden Krone Elemente des Ur-Modells von 1954 (und zelebrierte die Hausfarbe Rot entsprechend stark), während die um 300 Meter druckfestere Pelagos mehr auf Performance getrimmt wurde und dadurch auch in den Genuss von anderen Materialien kam.

Ungeachtet dessen machte die etwas günstigere Black Bay das Rennen um die Gunst der Fachpresse und des Publikums, welche offenbar nicht minder angetan vom selbstbewussten Blick in die Vergangenheit waren.

Stahl, Keramik und Titan (und etwas Kautschuk)

Innerhalb des Rolex-Konzerns kam Titan als Gehäusematerial relativ spät zum Einsatz in einer Serienuhr, und das dann auch nur teilweise: für den zweiteiligen Boden der 2008 lancierten Deepsea wurde der Befestigungsring in Edelstahl gefertigt, der lose Gehäusedeckel an sich wurde aber erstmals in Titan realisiert. Bei der Pelagos verhält es sich nun genau umgekehrt: Gehäuse und Band wurden aus Titan gefertigt, der Vollgewinde-Schraubboden (passend für den typischen Rolex-Gehäuse-Öffner) wie auch die Faltschliesse wurden dafür wie gewohnt in Edelstahl umgesetzt. Farbliche Unterschiede der beiden Materialien waren auch in diesem Fall zwar nicht zu verhindern, sind aber nur schwach zu erkennen.

Einen rein funktionalen Vorteil in der Verwendung von Titan zu sehen, fällt dabei etwas schwer: selbstverständlich ist die Uhr mit etwas über 100 Gramm leichter (was man mögen muss), aber der Unterschied zu einer vergleichbaren Edelstahl-Uhr dürfte dabei nicht allzu gravierend sein. Die zugesprochene, bessere Verträglichkeit mit Salzwasser in den Vordergrund zu stellen, fällt ebenfalls nicht leicht, da ja beide Metalle zum Einsatz kommen. Und die vordergründig etwas besseren Nehmerqualitäten bei Kratzern und Schlägen dürften bei diesem Finish und bei zukünftigen Gehäuse-Auffrischungen ebenfalls wieder relativiert werden.

Unterm Strich lässt sich vermutlich am einfachsten anmerken, dass von zwei hervorragenden Möglichkeiten hier das strategisch etwas passendere, sprich modernere Metall zum Einsatz gekommen ist, und selbst Uhrenkäufer mit einer Abneigung gegen Titan sollten dadurch nicht wirklich Anlass zur Kritik erhalten, da der früher für Titan typische gräulich-bräunliche Ton kaum noch zu sehen ist. Im Gegenteil: Die durchgängig satinierten, eher leicht grauen Oberflächen der Uhr, das matte Zifferblatt und die matte Keramik-Lünette passen hervorragend zum betont zeitgemässen, technisch-instrumentellen Auftritt der Uhr, während die zeitgleich lancierte Black Bay den etwas nostalgischen Blick in die Vergangenheit ermöglicht. Oder mit anderen Worten: das Produktmanagement von Tudor hat die beiden Uhren präzise positioniert, mit dem Resultat, dass man heute eher mit der Pelagos zum Tauchen gehen wollen täte und mit der Black Bay dafür an die Hotelbar.

Das seitlich bei 9 Uhr integrierte Heliumventil der Pelagos

So passt es auch hervorragend zum Pflichtenheft der Pelagos, dass bei 9 Uhr ein automatisches Heliumventil integriert wurde, während die Black Bay ohne auskommt. In der Praxis dürften bekanntlich beide Varianten kaum Vor- oder Nachteile bieten, aber mit dem entsprechenden historischen Bezug von Rolex zum Heliumventil und dem professionellen Anspruch der Pelagos kann man in jedem Fall gut damit leben.

Als überdurchschnittlich gut zu bezeichnen ist auch der Tragekomfort: 42 mm Durchmesser können im Jahr 2014 ja fast schon als moderat bezeichnet werden, und mit etwas über 100 Gramm Kampfgewicht, gut verteilt auf Uhr und Band, scheinen hier schon fast Idealmasse erreicht worden zu sein.

Etwas ungewohnt ist höchstens die Kombination von Gewicht und planem Boden bei fehlender Kopflastigkeit – die Pelagos klebt dadurch schon fast etwas am Handgelenk. Dies wiederum könnte äusserst hilfreich für all diejenigen sein, die das Band (es lassen sich nur ganze Glieder entfernen, dafür bietet die Schliesse nochmals drei Feineinstellungsstufen) wider Erwarten nicht ganz exakt dem eigenen Handgelenks-Umfang anpassen können.

Tudor_Pelagos_CLume
Sowohl Zifferblatt , Zeiger und Drehring sind mit Leuchtmasse belegt

Das Lünetten-Inlay der Pelagos ist wie bei den aktuellen Submariner- und Sea-Dweller-Modellen aus Keramik, die in diesem Fall matte Oberfläche stellt aber in Kombination mit den eingelassenen, durchwegs leuchtenden Elementen (ohne aufgesetzte Leuchtperle bei 12 Uhr) eine für den Konzern ungewohnte Umsetzungsform dar. Insofern dürfte die Black Bay wohl das letzte Modell mit eloxiertem Aluminium-Inlay sein.

Die verschraubte Krone wird seitlich von einem Kronenschutz umgeben, das Markenlogo ist graviert

Ein besonderes Highlight ist die feine Riffelung von Krone und Drehring – optisch zurückhaltend und perfekt aufeinander abgestimmt, schafft Tudor gerade hier eine neue Eigenständigkeit, ohne die Funktionalität gross zu vernachlässigen (eine Ausnahme dürfte wahrscheinlich die Bedienung mit Handschuhen darstellen). Seitliche Schläge resp. Dellen an der Lünette werden zwar etwas weniger gut kaschiert, aber die moderne Interpretation der Lünette hat sich optisch in jedem Fall gelohnt. Apropos gelohnt: Selten hat sich eine Lünette mit 60er-Rastung so gut angefühlt – passgenau und satt (recht laut) klickend, wurde hier eindeutig ein idealer Mix aus Haptik und Optik gefunden.

Inwieweit das partiell äusseren Einflüssen ausgesetzte Leuchtmaterial im Lünetten-Inlay Anlass zur Sorge geben könnte, dürfte sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen.

Neue Faltschliesse mit Federung

Einen ebenso pragmatischen wie willkommenen Weg ist Tudor bei der Konstruktion der Edelstahl-Faltschliesse gegangen: Ein Taucher und vor allem der weiche Neoprenanzug, in welchem besagter normalerweise steckt, ist abhängig der erreichten Tiefe unterschiedlichen Druckverhältnissen ausgesetzt. Das bedeutet, dass eine über dem Anzug getragene, an der Oberfläche gut sitzende Taucheruhr relativ bald einmal lose am Handgelenk rumrutscht.

Bei der Pelagos setzte Tudor glücklicherweise auf einen ebenso klassischen wie bewährten Mechanismus, den man schon bei Uhren aus den 60er- und 70er-Jahren (beispielsweise bei Doxa) gelegentlich finden konnte: das Band ist im Schliessenbereich zusätzlich mit einer Federung versehen und dadurch in der Lage, automatisch bis zu 10 mm zu kompensieren. Neu daran ist die robustere Ausführung, die Kombination mit der ausklappbaren Verlängerung sowie die Bewegungs-Anzeige des flexiblen Federstücks auf der Aussenseite der Schliesse (die kleiner werdenden Kreise symbolisieren hierbei den abnehmenden Umfang). Trägt der Taucher also die Uhr straff an der Oberfläche mit voll ausgezogenem Band, könnte während des Abstieges der Verlust von bis zu 10 mm Umfang durch die Schliesse automatisch kompensiert werden.

Der bewusst gewählte Konjunktiv liegt nun darin begründet, dass es Taucher gibt, die ohne Neoprenanzug resp. mit Ärmel-losem Shorty tauchen, und Taucher, die zwischen 3 bis 7 mm dicken Anzügen wählen, und dann gibt’s da noch die Fraktion mit noch dickerem Trockentauchanzug. Und oftmals tauchen diese auch noch unterschiedlich tief ab. Insofern sind der Flexibilität natürlich auch in diesem Fall irgendwann einmal Grenzen gesetzt.

Tudor_Pelagos_Clasp
Die Pelagos kommt mit einer flexiblen Schliesse

Die ersten drei Punkte stehen für die Feinverstellungs-Stufen der Schliesse (hier bereits maximal ausgezogen, denn erst damit wird das Band freigegeben für die flexible Federung), die zunehmenden Kreise symbolisieren den gefederten maximalen Auszug (sind also hier gerade auf der zweitgrössten Stufe). Leichtes Drücken auf „Push“ entriegelt die ausklappbare Tauchverlängerung. Die Vertiefung im Bereich des Sicherheitsbügels ist in Form des Tudor-Wappens gehalten, diese Form wiederholt sich als Aussparung bei der geöffneten Schliesse, siehe Bild unten, links aussen:

Mit dem Metallband verfügt der Träger also wie gewohnt über eine (hervorragend umgesetzte) integrierte Verlängerung für bis zu 20 mm mehr Länge, die Schliesse selbst bietet wie schon erwähnt nochmals drei feinere Stufen, die ebenfalls aussen angezeigt werden. Und wem auch das nicht reicht, der findet im Lieferumfang noch ein schwarzes Kautschukband mit Titan-Dornschliesse und dazu ein ähnlich langes, separates Zwischenstück (mit den typischen flexiblen Wellen) für den Einsatz über noch dickeren Anzügen.

Selbstverständlich wird es immer Einsatzbereiche geben, in dem die Pelagos nicht mehr mithalten kann. Aber es gibt wenig vergleichbare Uhren, die auf so viele Anforderungen eine mehr als valable Lösung anbieten können. Und hier gebührt den Entwicklern der Uhr auch entsprechendes Lob: Realistischerweise werden wenige Uhren dieser Kategorie auch wirklich noch beim Tauchen eingesetzt, aber diese hier könnte definitiv, wenn man denn wollte. Und müsste nicht wie manch bedeutend teureres Modell aufgrund des viel zu kurzen Kautschukbands, oder der nicht vorhandenen Verlängerung etc. schon am Strand kapitulieren.

Von der Optik her gibt’s am verschraubten, massiven Metallband wenig zu kritisieren. Im Gegenteil, sind hier im Vergleich zu manch anderem Modell des Konzerns die Bandanstösse passend zu den Hörnern ausgeführt. Die Verarbeitung ist ebenfalls auf sehr hohem Niveau und die Passgenauigkeit fast schon eine Herausforderung beim Wechsel auf das Kautschukband. Das im vorliegenden Fall fehlende Bandwechsel-Werkzeug ist dabei aber etwas inkonsequent.

Der Sicherheitsbügel der Faltschliesse wird mit gefederten Keramikkugeln arretiert

Schönes Detail: die gefederten weissen Kugeln aus Keramik zur Arretierung des Sicherheitsbügels. Die bei der Kautschuk-Option für die Marke typische Befestigung unter Beibehaltung des Metall-Anstosses ist indes eher Geschmackssache.

Auf Augenhöhe

Gelegentlich wird man bei der Pelagos etwas an die GST Aquatimer von IWC in der Titan-Ausführung erinnert: Das Zifferblatt der Uhr ist auch hier zurückhaltend mattschwarz ausgeführt, und die weissen Leuchtindexe sind ebenfalls nicht etwa aufgedruckt, sondern aufgesetzt (natürlich ohne Weissgold-Fassung, um auch ja nicht den Hauch von Eleganz zu versprühen). Die somit zwei Stockwerke tiefer liegende, weisse Datumsscheibe stellt mitsamt dem verkürzten 3-Uhr-Index eine gelungene optische Balance zum durchgehenden Gegenstück bei 9 Uhr her (obschon eine schwarze Datumsscheibe sicher auch gepasst hätte), während die wiederbelebten „Schneeflocken“ am Stunden- und Sekundenzeiger hervorragend zu den ebenfalls quadratischen Indexen passen. In extremen Nahaufnahmen zeigt sich, dass die eckigen Indexe und das Rehaut vereinzelt minimalst unterschiedliche Abstände haben – ein Effekt, der am Handgelenk aufgrund des Kontrasts aber nicht wirklich zu sehen ist.

Erfreuliche Detailliebe gibt’s natürlich auch hier zu sehen: Die Indexe bei 6 und 9 Uhr sind exakt doppelt so lang wie die restlichen Stundenindexe. Und noch erfreulicher: Der saubere Aufdruck für Logo, Marke, Herkunft, Tiefenangabe und die eher ungewöhnliche, aber bei Tudor schon oft angetroffene Bezeichnung „Rotor Self-Winding“ können punkto Grösse und Umfang schon fast als minimalistisch gelten im Vergleich zu anderen Sportuhren aus Genf. Auch scheint man der Sehkraft der Tudor-Kundschaft genügend Vertrauen zu schenken, um auf eine Datumslupe verzichten zu können.

Tudor_Pelagos_Indices
Nahaufnahme des Rehauts

Das Rehaut ums Zifferblatt ist in zwei Stufen ausgeführt (die Minuterie ist dabei gut ausgerichtet) und verfügt über Aussparungen für die Indexe; nichtsdestotrotz wirkt das grundsätzlich tiefe Zifferblatt auf den ersten Blick eher flach und nah unter dem Glas, was hauptsächlich dem planen, beidseitig entspiegelten Saphirglas geschuldet ist. Vorteil: die Ablesbarkeit ist dafür überdurchschnittlich gut. Und was im Dunkeln mit der blauen Leuchtmasse abgeht, darf schon fast als spektakulär bezeichnet werden (siehe Abbildung weiter oben).

Kurz gesagt: Die Zeiger sind in jeder Situation gut zu unterscheiden, auch wenn der fürs Tauchen weniger wichtige Stundenzeiger sicherlich bedeutend dominanter ausgefallen ist als der Minutenzeiger. – Inwieweit man die etwas brachiale Stundenzeiger-Form ins Herz zu schliessen vermag, wird weiterhin einzig vom Geschmack des Betrachters abhängen, aber immerhin gibt’s es derzeit ansatzweise bis auf Longines keinen vergleichbaren Anbieter, der damit frischen Wind in die Kollektion gebracht hat .

Ein weiteres erwähnenswertes, positives Merkmal betrifft die mattschwarze Lünette: deren Skala und 12-Uhr-Markierung ist makellos mit den innenliegenden Skalen abgeglichen und rastet exakt bei 12 Uhr ein. Die durchgehende Minuten-Anzeige fehlt auch hier und ist m.M. mehr als vernachlässigbar, und einem in der Entwicklung der Drehlünette wegweisenden Unternehmen die (mittlerweile) Nicht-Erfüllung von Industrie-Normen vorzuwerfen, wäre dabei fast schon peinlich.

Deshalb zurück zu den positiven Merkmalen: „Makellos“ wäre denn auch die treffende Umschreibung für das durchgehend satinierte Gehäuse: dank der abgeschrägten Oberkante und dank des ungewöhnlichen, spitz zulaufenden Kronenschutzes wird trotz einer nicht unangenehmen Monotonie noch eine gewisse Raffinesse erzielt, die geschickt die etwas hoch bauenden Flanken kaschiert.

Eher plump ist dafür die runde Funktionsbezeichnung des Helium-Auslass-Ventils bei 9 Uhr: auch wenn die Optik dadurch gewonnen hat, darf man froh sein, dass in der selben Logik das Tudor-Logo auf der Aufzugskrone nicht durch die Bezeichnung „Crown“ ersetzt worden ist.

Wo bleibt die Kritik?

Wer bis hierhin durchgehalten hat, wird sich vielleicht fragen, wo der Haken an der Uhr ist. Das Problem: Es gibt keinen, der sich objektiv begründen liesse und nicht mit persönlichem Geschmack zu erklären wäre.

Es gibt dafür die eine oder andere Befürchtung, dass die Leuchtmasse von Zeigern und Indexen im Laufe der kommenden Jahre unterschiedlich altern könnte. Oder dass die eingelassene Leuchtmasse im Keramik-Drehring vielleicht etwas empfindlicher auf Alterung oder Schläge reagieren könnte, oder dass das satinierte Titan-Gehäuse nicht ganz so klaglos mit Schlägen umgehen könnte, wie man sich das vom Material erhofft hätte. Die Betonung liegt aber in allen Fällen auf „könnte“, „vielleicht“, „hätte“ und „in den kommenden Jahren“ und das auch noch aus der Feder von jemandem, der zu keiner Sekunde bei der Entwicklung und Erprobung der Pelagos dabei gewesen ist, was wiederum hervorragend aufzeigt, dass sich jetzt in diesem Moment nur mit ganz viel Fantasie etwas an der Pelagos finden lässt, was nicht ganz so stimmig sein könnte.

Selbstverständlich handelt es sich beim verwendeten ETA 2824-2 nicht um den exklusivsten Antrieb der Uhrenwelt, aber Ähnliches liesse sich ganz vorsichtig gesagt auch über das (exzellente) Inhouse-Kaliber der Submariner schreiben. Dafür profitieren beide von einem hohem Mass an Zuverlässigkeit, und nicht nur bei der Auswahl der Gütestufe und der Regulierung des Werks scheint man bei der Tudor dem geforderten Preis Rechnung tragen zu wollen. Wie auch beim Rest der Uhr gut sichtbar wird, dass die letzten 20% halt wirklich etwas mehr Hingabe und Präzision erfordern.

Und um doch noch auf die eingangs erwähnte Frage zu kommen: ob man nun eine Pelagos (bei der es preislich dann übrigens auch noch für eine Black Bay reichen würde), oder für eine Submariner der Schwestermarke entscheidet, wird natürlich in erster Linie von der Markenpräferenz abhängen. Entsprechend überflüssig ist es, am Mythos Submariner rütteln zu wollen.

Vielleicht klappt es aber in diesem Fall mit einem umgekehrten Fazit besser: Wenn man so lange an einer Uhr arbeitet, bis es daran nichts mehr zu kritisieren gibt und dabei funktional und optisch sehr viel näher an die Bedürfnisse und Anforderungen des Unterwasser-Einsatzes kommt, als ein Grossteil der Mitbewerber, und man darüber hinaus mit einer erstaunlich eigenständigen Formensprache und mit zeitgemässen Materialien zudem 50 Jahre Tauchgeschichte dermassen gelungen in die Gegenwart übersetzen kann, liegt die Versuchung nahe, für die mehr als ausgewachsene Pelagos den Begriff „Perfektion“ zu bemühen.

Tudor Heritage Black Bay mit weisser Leuchtmasse und blauem Drehring

Wer aber vielleicht etwas mehr „Charme“ oder auch „Emotionalität“ an seiner nächsten Armbanduhr sucht, für den gäbe es ja u.a. auch noch die Heritage Black Bay mit rotem Drehring-Inlay (Ref. 79220R). Und seit 2014 die Heritage Black Bay mit blauem Inlay und ohne künstlich gealterter Leuchtmasse (Ref. 79220B).

Tudor Pelagos (Ref. 25600TN) mit Inhouse-Kaliber

UPDATE (2015): Zur Baselworld 2015 präsentierte Tudor eine überarbeitete Pelagos (Ref. 25600TN), die mit dem neuen Inhouse-Kaliber MT5612 (und mehr Zifferblatt-Text) ausgestattet wurde. Zusätzlich zur schwarzen Zifferblatt-Version gibt es nun ebenfalls eine blaue Alternative (Ref. 25600TB). Ende 2016 folgte dazu noch eine Version für Linkshänder (Ref. 25610TNL).

Ansichten:

Technische Daten

Herstellermarke: Tudor
Modell: Pelagos (von griechisch pelagós, „Meer“)
Referenz-Nummer: 25500TN
Lancierungsjahr: 2012
Wasserdichtheit: 500 Meter
Gehäuse: satiniertes Titangehäuse mit 42 mm Durchmesser (ohne Krone) und ca. 14 mm Bauhöhe; integriertes, automatisches Heliumventil bei 9 Uhr, Schraubboden und -krone; entspiegeltes, planes Saphirglas; einseitig drehbare Taucherlünette aus Titan mit schwarzem Keramik-Inlay, 60er Rastung, Skala mit Leuchtmasse bestückt
Band:massives Titanband mit Edelstahl-Faltschliesse und verschraubten Gliedern; integrierte, ausklappbare Tauchverlängerung mit gefedertem Verlängerungssystem zur automatischen Kompensation von druckbedingten Schwankungen des Handgelenkumfangs bis 10 mm; zusätzlich im Lieferumfang enthalten: schwarzes Kautschukband mit Titan-Dornschliesse und ein zusätzliches Kautschuk-Zwischenstück zum Einsatz über dem Trockentauchanzug
Werk:automatisches Aufzugswerk ETA 2824-2 in Top-Ausführung mit Logo-Gravur auf Rotor, 26 mm Durchmesser und 4,6 mm Bauhöhe, 25 Lagersteine, 28’000 Halbschwingungen/h, ca. 36h Gangreserve
Funktion:Stunden-, Minuten-, Sekunden- und Datums-Anzeige
Gewicht:104 Gramm
Varianten: s.o.
Preis:CHF 3’950.00 / EUR 3’360.00 (Stand 2014)

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2014 veröffentlicht.