Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass die kleine Schwester von Rolex praktisch über Nacht zu einem veritablen Disruptor der Industrie avancieren würde? – Erst das Inhouse-Kaliber MT5602 zum Kampfpreis in der regulären Black Bay, dann die mit Abstand günstigste mechanische Massivgold-Taucheruhr in diesem Segment, die Rückkehr zu Silber und Bronze, und jetzt auch noch eine Keramik-Uhr mit METAS-zertifiziertem Inhouse-Werk zu einem Preis mehr als 40% unter der Seamaster 300 von Omega. Immerhin, die Lancierung einer Black Bay mit Keramik-Gehäuse war nach der Only Watch-Version von 2019 zu erwarten, der Zeitpunkt (kurz nach der Lancierung der Silber- und Gold-Version) und die METAS-Zertifizierung indes nicht. Oder anders herum: derzeit fehlen lediglich noch Karbon und Platin im Sortiment von Tudor.

Die Black Bay Ceramic (Ref. M79210CNU-0001) verfügt über ein bis 200 Meter wasserdichtes Gehäuse mit 41 mm Durchmesser. Der Boden ist wie bei dem Silber- und Gold-Modell ebenfalls mit einem Saphirglas bestückt, womit sich das neue, geschwärzte MT5602-1U bei der Arbeit beobachten lässt (ausser das NATO-Band wurde montiert). Es handelt sich dabei um das erste Werk der Marke, das vom unabhängigen Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) als Master Chronometer zertifiziert wird (Tudor verfügt dafür über ein Testlabor vor Ort), bisher liess ausschliesslich Omega seine Uhrwerke nach diesem Qualitätsstandard prüfen. Das MT5602-1U ist bis 15’000 Gauss amagnetisch und bietet eine Gangreserve von 70 Stunden; die Schwungmasse ist aus Wolfram, die Spirale aus Silizium.

Während der Gehäusemitteilteil und die Lünetteneinlage aus Keramik sind, ist der Boden, die Krone und der Drehring aus Metall (mit PVD). Tudor verzichtete zudem auf eine Leuchtmarkierung auf dem Drehring, was hinsichtlich der weissen Zeiger etwas inkonsequent ist.

Apropos inkonsequent: der grösste Vorteil von Keramik liegt in der Farbkonsistenz sowie in der Hautverträglichkeit. Ein schwarzes Gehäuse aus Keramik bleibt also dauerhaft schwarz, und mit der Wahl identischer Materialien beim Drehring-Inlay und dem Gehäuse dürften auch bei potentiell zukünftigen Farbvarianten noch Punktlandungen möglich sein (was bei schwarzen Komponenten zugebenermassen nicht so schwierig ist). Demgegenüber steht ein etwas erhöhtes Risiko für Brüche. Dass Tudor nun ausgerechnet bei den Komponenten mit Hautkontakt auf Edelstahl zurückgreift, und lediglich den Gehäusemittelteil und die Lünetteneinlage aus Keramik anbietet, ist überraschend, zumal mit der Black Bay Ceramic die Black Bay PVD (Ref. 79230DK) eingestellt wurde. Dafür dürfte der Metallrand die Lünette besser schützen.

Unter dem Strich hat es Tudor auch bei der Black Bay Ceramic einmal mehr geschafft, Interessenten ein praktisch nicht zu übertreffendes Preis-/Leistungsverhältnis zu bieten. Wer bislang mit dem Snowflake-Zeiger seine Mühe hatte, wird logischerweise auch hier nicht vollends glücklich werden, aber wer eine dauerhaft schwarze Taucheruhr mit einem modernen Inhouse-Werk mit tadellosen Eckdaten und Gangwerten sucht, die Black Bay Ceramic müsste ganz weit oben auf der (zudem eher kurzen) Liste stehen. Mit Keramikboden und Leuchtperle auf dem Drehring hätte die Uhr das Prädikat „Perfekt“ locker in der Tasche gehabt, so gibt es immerhin zwei Punkte, wie man sich den sofortigen Kauf doch noch ausreden könnte und standhaft bleiben kann. Ein dritter Grund dürfte die tendenziell schwieriger werdende Verfügbarkeit (resp. steigende Nachfrage) beim Händler sein. Wenig überraschend.

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