Die Feiertags-Lektüre: Ein Blick zurück aufs 2019

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Die Uhrenindustrie ist nicht erst seit der Quarzkrise in den 70er-Jahren dafür bekannt, nur zögerlich auf Trends zu reagieren. Mit dem Kopf im Sand lässt sich aber erfahrungsgemäss nur schwer an Visionen arbeiten, was in der Summe im Jahr 2019 zu einer spürbaren Beschleunigung in Sachen Paradigmenwechsel geführt hat: Auf der einen Seite wären da das Fernbleiben der Swatch Group an der Baselworld und die damit eingeleitete Kettenreaktion für die wichtigste Plattform der Industrie zu erwähnen, das Wachstum von Certified Pre-Owned, die verschnupfte Konsumentenstimmung in Hongkong (mit entsprechendem Impact auf die Exportstatistik), die anhaltende Verschiebung der Schweizer Industrie ins obere Preissegment (respektive der besorgniserregende Rückgang bei Uhren im Einstiegssegment unter CHF 500.00) sowie der beschleunigte Shift vom klassischen Retail-Konzept zu Direct to Consumer und damit auch E-Commerce.

2019 war in erster Linie das Jahr, in dem die wichtigste Plattform der Branche gezwungen wurde, nach neuen Konzepten zu suchen.

Unklar ist darüberhinaus, inwieweit die nächsten Generationen von Uhrenkäufern das Thema „mechanische Uhr“ für sich entdecken werden: Während der Vinyl-Boom als Gegen-Trend zur Digitalisierung ermutigend ist (resp. die Taucheruhr auch neben dem Tauchcomputer bestehen konnte), könnte die wachsende Problematik, analoge Uhren ablesen zu können und das Ausbleiben einer echten Einstiegsstrategie für die Erstträger einer nicht ganz so smarten Erstuhr (was in den 90er-Jahren noch durch Swatch übernommen wurde) das Ganze in den nächsten Jahren durchaus verschärfen.

Zeit für die Gen Z? – Tissot bietet mit der Seastar 1000 seit 2019 eine Swiss Made Taucheruhr mit mechanischem Werk mit Silizium-Spirale zu einem Preis von unter CHF 800.00 an (Ref. T120.407.17.041.01)

Auf der anderen stehen neue Rekord-Preise bei Auktionen, der anhaltende Vintage-Boom, die Übernahme von Tiffany & Co. durch LVMH, der Wunsch nach Entschleunigung und die noch längeren Wartezeiten bei den populären Stahlmodellen, die wiederum keinen Zweifel an der Attraktivität der mechanischen Uhr aufkommen lassen, selbst wenn das Mittelfeld (oder Mittelmass?) auch hier zu erodieren scheint.

Mit dem Blick auf die lancierten Produkte dürfte 2019 als das Jahr des Chronographen zusammengefasst werden: Angefangen vom 50-jährigen Jubiläum der automatischen Vertreter, der Mondlandung und Rückkehr des Kal. 321 von Omega, der Bulgari Octo Finissimo GMT Weltrekorduhr, der Neuauflage von Blancpains Air Command oder Doxas T-Graph – die Kategorie hatte von IWC’s Mojave Desert bis zum Oris 65 Chronographen definitiv ein gutes Jahr.

2019 war auch das Jahr neuer Auktionsrekorde, hier stellvertretend die Tudor Black Bay Ceramic One, die im Herbst für CHF 350’000.00 einen neuen Besitzer fand.

Konsolidierung fand 2019 aber auch medial statt: Während in den 90er-Jahren die Foren und persönlichen Websites noch den Grossteil der Informationen lieferten und die Blogs in den 2000er-Jahren ihren Siegeszug starteten, haben (vor allem in den letzten 5 Jahren) Instagram und Transaktions-fokussierte Sites mit redaktionellen Inhalten den Leser im 2019 noch stärker an sich gebunden. Überraschend dabei: Konsumenten in den deutschsprachigen Ländern scheinen überraschend wenig Probleme damit zu haben, auf fast ausschliesslich englischsprachigen Websites Informationen zu konsumieren, die in erster Linie darauf abzielen, den Warenkorb selbiger Site zu pushen. Oder in den sozialen Medien von einem Influencer zu erfahren, warum die bezahlte Platzierung am Handgelenk einen Kauf durch den Follower verlangt. Passend dazu liefert Google heute zu fast keinem Suchbegriff noch eine redaktionell unabhängige Quelle auf den ersten Positionen.

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Unter diesem Aspekt hat Herr Strohm in seinem Uhrsachen-Blog im letzten März fast schon stellvertretend aufgezeigt, dass der Business Case eines deutschen Uhrenblogs eigentlich nicht mehr umsetzbar ist. Das gilt vor allem auch für eine Publikation, die wie diveintowatches.com bewusst gänzlich ohne Werbefinanzierung und Shop auskommt und damit praktisch unabhängig für den Leser operiert. Die Motivation ist in diesem Fall aber auch eine etwas andere: Es geht in erster Linie darum, die Passion an der mechanischen Uhr zu teilen, die Geschichte der Taucheruhr (und des Tauchens) zu rekonstruieren und zu dokumentieren und Ihnen – im besten Fall – aufzuzeigen, welche Uhr am besten zu Ihren Bedürfnissen passt. – Den Verkauf übernehmen dabei andere Markteilnehmer.

In diesem Sinne konnte diveintowatches.com auch 2019 auf eine sehr loyale und kritische Leserschaft zählen, und dank des Supports der Uhrenhersteller und -verkäufer mit unabhängigen Berichten und fast ausschliesslich eigenen Aufnahmen diese Sonderstellung verteidigen.

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Insofern gibt’s ein herzliches Dankeschön an die Hersteller und Uhrenhändler, die den Zugang zu Neuheiten ermöglicht haben, und ein noch grösseres Dankeschön an Sie, den Leser, der mit Bookmarks, Kommentaren, E-Mails und Verlinkungen dafür gesorgt hat, dass nicht nur das Schreiben und Fotografieren enorm viel Spass gemacht haben, sondern auch der Austausch mit Gleichgesinnten!

Und für alle, die’s verpasst haben, die persönlichen Highlights im vergangenen Jahr waren:

Voilà. Damit geht’s auch schon an die Planung 2020. Bis dahin: Schöne Feiertage und einen guten Rutsch!

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